Samstag, 9. Februar 2013

Abschied aus New York


Email aus New York, Sommer 2003

Eine letzte Nachricht aus New York muß ich Euch noch schnell schicken, auch wenn ich es mir gestern leider nicht verkneifen konnte die Nacht durchzumachen, soweit das in New York möglich ist. Von daher bin ich etwas angeschlagen. Wir haben uns in "Smalls" den Mann von Paolos Cousine beim Saxophonspielen angehört und sind danach irgendwie auf Abwege geraten, keiner weiß so genau wie.
            
Nachdem ich es während insgesamt acht Monaten in New York nie geschafft habe, die Freiheitstatue und Ellis Island zu besichtigen, hat mich nun mein Freund Dan im vornehmen Manhattan Yacht Club auf sein Boot geladen, um diese Sehenswürdigkeiten lässig an einem strahlend schönen Sonnabendnachmittag zu umsegeln. Ihr habt keine Vorstellung davon, wie einheimisch ich mir jetzt vorkomme. Damit Matze Bassel jetzt nicht beleidigt ist, sollte ich dazu sagen, daß man hier in New York sofort die Segel streicht, wenn sich ein Unwetter über New Jersey zusammenbraut, und schnellstens mit dem Motor den Heimathafen ansteuert. Das ist doch ein etwas anderer Schnack als auf der Alster, wo GRUNDSÄTZLICH Unwetter herrscht, wodurch man sich deswegen auf keinen Fall abhalten läßt, sondern unverdrossen in einem Boot voller Wasser, das jeden Augenblick zu kentern droht, bis auf die Unterhose durchnäßt weitersegelt. Paolo hat mich nach Grado zum Segeln eingeladen, wenn ich in Venedig bin, und wer weiß, vielleicht wird ganz am Ende doch noch eine richtige Hamburgerin aus mir, mit Segeln und allem Drum und Dran.

Ansonsten ist es mir gelungen in einem dreitägigen Gewaltakt meinen Vortrag auf die gewünschten 17 Minuten zu kürzen. Francesc nebenan hält mich schon für meschugge, weil ich seit Tagen ununterbrochen laut meine Kommentare zu den Folien deklamiere und dabei mit flackerndem Blick auf die Uhr starre. Es wird Zeit, daß ich mich aus dem Staub mache, zumal es sich jetzt auf dem achten Stock durchgesetzt hat, wegen des übertriebenen Einsatzes der Klimaanlage zusätzlich einen elektrischen Heizkörper zu bemühen, während die NYU-Administration den zweiten Fahrstuhl außer Betrieb genommen hat - um Energie zu sparen. Hier sind alle verrückt, ich eingeschlossen.

Auch sonst wird es Zeit, daß ich nach Hause kommen: Constantin freut sich schon am 22. September mit mir fernzusehen. Er erwartet eine glanzvolle Revanche für die Wahl vor vier Jahren, deren Ausgang wir mit sehr unterschiedlichen Gefühlen gemeinsam in Gerzensee verfolgt haben. Ich sage: Noch ist Polen nicht verloren. Trefft keine falschen Entscheidungen, es könnte sehr schmachvoll für mich werden, und außerdem wollen wir das mickrige bißchen Einwanderungsgesetz, das wir uns hart - wenn auch nicht sehr elegant - erkämpft haben, nicht schon wieder preisgeben müssen. Wenn ich eines in Amerika gelernt habe, dann daß ein Land von gut organisierter Einwanderung nur profitieren kann! Vielleicht werden wir ja auf die Art und Weise doch nochmal flexibel und packen unsere Probleme an. Ich komme mir immer sehr klein und häßlich vor, wenn ich Jennys Horrorgeschichten von den deutschen Zögerern und Zauderen bei Bayer Connecticut höre.

Bis demnächst in Hamburg. Baut ein paar Sandsäcke auf, ich wohne bei Silke auf dem Kiez und meine Möbel stehen in Eimse im Keller. Ich kann mir keine Jahrtausendkatastrophen leisten!

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