Email aus New York, Sommer 2003
Eine letzte Nachricht aus New York muß ich Euch noch schnell
schicken, auch wenn ich es mir gestern leider nicht verkneifen konnte die Nacht
durchzumachen, soweit das in New York möglich ist. Von daher bin ich etwas
angeschlagen. Wir haben uns in "Smalls" den Mann von Paolos Cousine
beim Saxophonspielen angehört und sind danach irgendwie auf Abwege geraten,
keiner weiß so genau wie.
Nachdem ich es während insgesamt acht Monaten in New York
nie geschafft habe, die Freiheitstatue und Ellis Island zu besichtigen, hat
mich nun mein Freund Dan im vornehmen Manhattan Yacht Club auf sein Boot
geladen, um diese Sehenswürdigkeiten lässig an einem strahlend schönen
Sonnabendnachmittag zu umsegeln. Ihr habt keine Vorstellung davon, wie
einheimisch ich mir jetzt vorkomme. Damit Matze Bassel jetzt nicht beleidigt
ist, sollte ich dazu sagen, daß man hier in New York sofort die Segel streicht,
wenn sich ein Unwetter über New Jersey zusammenbraut, und schnellstens mit dem
Motor den Heimathafen ansteuert. Das ist doch ein etwas anderer Schnack als auf
der Alster, wo GRUNDSÄTZLICH Unwetter herrscht, wodurch man sich deswegen auf
keinen Fall abhalten läßt, sondern unverdrossen in einem Boot voller Wasser,
das jeden Augenblick zu kentern droht, bis auf die Unterhose durchnäßt
weitersegelt. Paolo hat mich nach Grado zum Segeln eingeladen, wenn ich in
Venedig bin, und wer weiß, vielleicht wird ganz am Ende doch noch eine richtige
Hamburgerin aus mir, mit Segeln und allem Drum und Dran.
Ansonsten ist es mir gelungen in einem dreitägigen Gewaltakt
meinen Vortrag auf die gewünschten 17 Minuten zu kürzen. Francesc nebenan hält
mich schon für meschugge, weil ich seit Tagen ununterbrochen laut meine
Kommentare zu den Folien deklamiere und dabei mit flackerndem Blick auf die Uhr
starre. Es wird Zeit, daß ich mich aus dem Staub mache, zumal es sich jetzt auf
dem achten Stock durchgesetzt hat, wegen des übertriebenen Einsatzes der
Klimaanlage zusätzlich einen elektrischen Heizkörper zu bemühen, während die
NYU-Administration den zweiten Fahrstuhl außer Betrieb genommen hat - um
Energie zu sparen. Hier sind alle verrückt, ich eingeschlossen.
Auch sonst wird es Zeit, daß ich nach Hause kommen:
Constantin freut sich schon am 22. September mit mir fernzusehen. Er erwartet
eine glanzvolle Revanche für die Wahl vor vier Jahren, deren Ausgang wir mit
sehr unterschiedlichen Gefühlen gemeinsam in Gerzensee verfolgt haben. Ich
sage: Noch ist Polen nicht verloren. Trefft keine falschen Entscheidungen, es
könnte sehr schmachvoll für mich werden, und außerdem wollen wir das mickrige
bißchen Einwanderungsgesetz, das wir uns hart - wenn auch nicht sehr elegant -
erkämpft haben, nicht schon wieder preisgeben müssen. Wenn ich eines in Amerika
gelernt habe, dann daß ein Land von gut organisierter Einwanderung nur
profitieren kann! Vielleicht werden wir ja auf die Art und Weise doch nochmal
flexibel und packen unsere Probleme an. Ich komme mir immer sehr klein und
häßlich vor, wenn ich Jennys Horrorgeschichten von den deutschen Zögerern und
Zauderen bei Bayer Connecticut höre.
Bis demnächst in Hamburg. Baut ein paar Sandsäcke auf, ich
wohne bei Silke auf dem Kiez und meine Möbel stehen in Eimse im Keller. Ich
kann mir keine Jahrtausendkatastrophen leisten!
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