Sonntag, 24. Februar 2008

Asien für Anfänger und sehr Fortgeschrittene - Melakka und Kuala Lumpur

Nachdem uns Singapur - der vermeintliche Hort fuer Asienanfänger - beinahe komplett aus den Latschen gehauen hätte, gelang es uns doch noch ein Idyll zum gemütlichen Eingewöhnen zu finden. Melakka an der gleichnamigen Meerenge ist zwar seit der Vereinnahmung durch die Portugiesen im 16. Jahrhundert berüchtigt fuer Piraterie, aber davon merken die sicher im kolonialen, blitzblank renovierten Chinatown untergebrachten Touristen nicht viel. Es sei sei denn es handelt sich um englische oder amerikanische Senioren, die als Kreuzfahrer von Bangkok angereist sind.

Von den Portugiesen ist abgesehen von einem nicht mehr ganz so famosen Tor der einst stolzen Festung "A Famosa" und einer Abwandlung ihrer Sprache, die noch einige hundert Einwohner sprechen, nicht mehr viel übrig in der Stadt. Es gibt auch eine sehr schöne Fotoserie von Einheimischen, die angeblich Eurasisch sein sollen, aber machen wir uns nichts vor: Das Asiatische dominiert so sehr, dass ohne solche Bildunterschriften kein Betrachter auf die Idee käme, Spuren von Europa in diesen Gesichtern zu entdecken. Dafür hinterließen die Holländer nach der Vertreibung der Portugiesen das Stadthuys, zahlreiche Gräber und eine bis heute anhaltende Treue der einheimischen Bevölkerung zu holländischem Ziegelstein.

Zum richtigen Zeitpunkt veranstalteten die ortsansässigen Chinesen nicht nur den Touristen zu Gefallen, sondern auch zu Ehren des ausgehenden Neujahrsfests eine grosse Kirmes mit Drachenumzug und Karaokeexzessen auf dem zentralen Hauptplatz und in zahlreichen taoistischen Gemeindehäusern. Ganz Chinatown war stilvoll und romantisch mit roten Lampions beleuchtet, an den Ständen konnte man neben Nonya-Leckereien, Produkte einer Kreuzung chinesischer und malayischer Küche, lebende Hunde- und Mäusebabys erstehen und auf einer Tribüne sahen Ratsherren und andere Honoratioren der Stadt dem bunten Treiben wohlgefällig zu. Dass es sich bei diesen Zuschauern um Ratsherren handelte, erklärte uns ein freundlicher, zahnloser Chinese, der uns auch darüber informierte, dass der Busbahnhof von Melakka der modernste in Südostasien ist und dass die orstansässigen Drachenumzügler in internationalen Wettkämpfen nicht selten die Mutterlandchinesen aus dem Felde schlagen. Drachenumzüge sind fuer die Mimen alles andere als eine Kleinigkeit, denn sie müssen die ganze Zeit nicht wie Drachen, sondern eher wie Enten in der Hocke gehen.

Auf dem Jahrmarkt konnten wir uns davon überzeugen, dass unter chinesischen Malaysierinnen der Pipi-Langstrumpf-Look groß im Kommen ist. Malayische Malaysierinnen bevorzugen Kopftücher und jeder wird sofort einsehen, dass sich das nicht mit Pipi-Langstrumpf verträgt. Insgeheim beglückwünschte ich mich, in Mitteleuropa zuhause zu sein, denn der Besuch in Malaysia bestätigte aufs Neue, dass die Mode keine Gnade kennt. Weder hohe Stiefel noch lange Wollstrümpfe machen vor den Tropen halt.

Die himmlische Ruhe von Melakka hatten wir dringend nötig, um uns an die verwirrende Vielfalt von Volksgruppen, Religionen und Gebräuchen zu gewoehnen. Zum Glück hat diese malerische Hafenstadt diesbezüglich echten Crashkurs-Charakter, denn man kann in nur drei Strassenzügen die älteste Moschee, den ältesten Tao-Tempel und den ältesten Hindu-Tempel des Landes besichtigen. Danach ist auch der größte Achtziger-Jahre-Skeptiker absolut weihrauchsicher.

In dem ältesten Hindu-Tempel wurden wir aktiv und gewissermassen on-the-job von einem Gläubigen angelernt, nachdem wir von Anfang an alles falsch gemacht hatten und rechtsherum durch den Tempel gelaufen waren. Der Gläubige griff schnell und beherzt ein und scheuchte uns in die andere Richtung. Jedesmal wenn er vor einer Götterstatue verschiedene Aufgaben erledigt hatte, wie sich flach auf den Boden zu werfen oder die zusammengelegten Hände wie eine Krone über den Kopf zu halten, bedeutete er uns, ihm zur nächsten Statue zu folgen, bis wir uns heimlich davonschlichen. Linksherum versteht sich.

Gut gefiel uns auch die strenge piktographische Anweisung in einem Singapurer Tao-Tempel, die Schuhe auf keinen Fall auszuziehen. Anscheinend muss man Touristen, die verschiedene Buddha- und Hindu-Tempel besucht haben erst wieder mühevoll umschulen.

An den malayischen Gotteshaeusern gefaellt uns ihre Lebendigkeit und ihre gute Integration in das Alltagstempel. Kinderspiele, Klatsch und Mittagsschlaefchen scheinen ebenso in jeden Tempel und in jede Moschee zu gehoeren wie das Abfackeln von Weihrauchstaebchen und Verrichten komplizierter Gebete durch wacherere oder aeltere Glaeubige. Vielleicht muessten sich die Landeskirchen zu Hause auch nur ein bisschen weniger sakral gerieren, um Glaeubige anzulocken, anstatt notgedrungen ihre leer stehenden Gotteshaeuser an radikal evangelistische Gemeinden aus Amerika unterzuvermieten.

Zurueck zu saekulaereren Themen sollte ich noch ueber die Totoversessenheit der Malaysier berichten, der wir neue Kenntnisse ueber die Bundesliga verdanken. Das Spiel Bochum gegen Hannover war abgekartet, wie uns unser chinesisch-malayischer Hotelbesitzer versicherte. Er hatte schon vorher davon Wind und deswegen auf Bochum gewettet, was ihm stolze 500 Ringitt eintrug. Frueher war der europaeische Fussball sauber und Korruption gab es nur in Asien, aber die Zeiten sind lange vorbei. Unser einziger Trost besteht darin, dass es in Italien noch schlimmer ist.

Bevor wir in die Teeplantagen der Cameron Highlands weiterzogen, wagten wir eine Uebernachtung in Kuala Lumpur mit Stadtbesichtung. An Kuala Lumpur ist nichts fuer Anfaenger. Das gleiche Wirrwarr aus Voelkern, Kuechen und Religionen, aber das mit grossem Trubel von Menschenmassen auf den Strassen und in den dazugehoerigen Restaurants, Verkehrschaos, Laerm, Smog, Gestank und Wolkenkratzern, teils Platte, teils raffinierte, islamisch anmutende Architektur. Der einzige Touristenkiller, der hier fehlt, sind die Schlepper, wenn man mal von dem jungen Mann absieht, der auf dem Nachtmarkt in Chinatown Taschen verkauft, den Schatz jedoch vesehentlich mit "Yes sir, another beer" animierte. Trotzdem war ich auf einen Mittagsschlaf am fruehen Abend und der Schatz auf eine einstuendige Massage angewiesen, um uns von dem Uebermass an neuen Eindruecken zu erholen

Nach einer grossen Voellerei mit scharf gewuerzten Nonya-Spezialitaeten blieben uns leider am naechsten Morgen einige reisetypische Beschwerden nicht erspart. Durch geschicktes Verschieben der Abfahrt und Ausnutzen der Busbahnhofstoiletten gelang es uns dennoch, sicher in den Highlands zu gelangen, wo wir uns an der guten Luft und englischem Nachmittagstee laben, wenn wir nicht auf den steilen und hindernissreichen Dschunglewanderpfaden die Schweizer hinter uns lassen. Aber davon spaeter.

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