Mittwoch, 30. Juli 2008

Alles in Butter

Email aus New York, Januar 2001

Seit ich Lulis Schlüssel habe, ist wieder ein bißchen Ruhe an der Wohnungsfront eingekehrt, und ich kann mich mit verstärkter Kraft der Forschung und meinem straffen Kulturprogramm widmen. Am Donnerstag besuchte ich ein Theaterstück in jiddischer Sprache. Während der ersten 15 Minuten fragte ich mich immer verzweifelt, warum Yvonne so blöd lacht - ich verstand kein Wort. Aber nachdem ich mich ein bißchen eingewöhnt hatte, fiel mir auf, daß Schweizerdeutsch wesentlich schwieriger zu verstehen ist, und mittlerweile fühle ich mich so, als spräche ich die Sprache selbst.

Vladis Scheck war wider Erwarten gedeckt, und Curzio und ich wollen auf diesen Schreck demnächst eine Riesenparty schmeißen. Ganz im Unterschied zu mir, die ich wie ein Eichhörnchen in der Trommel gearbeitet habe, um eine neue Wohnung zu finden, ist Curzio bereits umgezogen. Eine nette, junge Japanerin hat sich seiner angenommen und ihm innerhalb von einem Tag ein Zimmer in einem Künstlerloft am Southstreet Seaport mit vier Japanern zusammen besorgt. Ich werde das Gefühl nicht los, daß die, die sich nie um irgendetwas kümmern, immer besser dabei wegkommen. Er beharrt auch darauf, daß dieser Freundschaftsdienst umsonst war.

Hell's Kitchen muß ich zum Glück nicht ganz aufgeben, da ich mich in letzter Sekunde noch mit Sean und Theo angefreundet habe, die in meiner alten Heimat wohnen. Sean ist Designer, Theo ist IT-Mann und kennengelernt haben sich die beiden beim Malunterricht. Sie gehören zu dieser Gruppe von Bohemien-Ostküstenamerikanern, die alle mindestens schon mal zwei Jahre lang in Prag gelebt haben und in jedem zweiten europäischen Land mit einer Frau liiert waren. Von den beiden habe ich bereits eine Menge über deutsche Kunst gelernt.


Trotzdem war ich froh, daß sie bei meinem Abschiedsspätzleessen verhindert waren - mir ist der Albtraum einer jeden Hausfrau widerfahren: Sechs hungrige Münder diskutierten im Wohnzimmer Rassismus, und ich war nicht in der Lage, den Teig so anzurühren, daß auch nur ein einziges Spätzle entstand. Nur Hartmuts geduldiger Assistenz habe ich es zu verdanken, daß ich meine Gäste noch mit einem Plan B Abendessen notdürftig satt bekam.

Conrad Filippi will mich allerdings nun nicht mehr heiraten, seit er dieses Trauerspiel gesehen hat. Ich hoffe, ich habe heute abend ein glücklicheres Händchen. Zu Federico soll jeder ein Gericht aus der Heimat mitbringen. Mit einer Roten Grütze will ich nun versuchen, energisch gegen italienische Pasta-Gerichte und mexikanische Vorspeisen anzukämpfen.

N. ordnete übrigens neulich beim Mittagessen an, daß die Deutschen sich endlich mal von ihren Zweite-Weltkriegsschuldkomplexen freimachen, die Franzosen in Schach halten, die Russen wachküssen und so eine ernstzunehmende Konkurrenz für die USA werden sollen. Na dann mal los! Mein täglicher Blick in die deutsche Online-Presse sagt mir, daß wir uns von dieser Aufgabe vor allem durch die verschiedenen Vaterschaften eines bekannten deutschen Tennisspielers ablenken lassen...


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