Samstag, 3. November 2007

New York ist ein Dorf

Email vom 11. Oktober 2000:

Inzwischen hat es hier einen mächtigen Temperatursturz gegeben. Mit Fahrenheit kenne ich mich nicht so recht aus, aber ich tippe Temperaturen nahe null Grad Celsius. Letzte Woche bin ich noch im T-Shirt herumgelaufen. An der NYU wird noch nicht geheizt, dafür kann man in unserer Wohnung die Heizung nicht herunterschalten. Nd. und Ayda springen den ganzen Tag um mich herum und haben Angst, daß ich krank werde, nötigen mir die einzigen elektrischen Heizkörper des Instituts auf etc. etc. Genaugenommen ist Nd. selbst schon erkältet. Hat es sich aber trotzdem nicht nehmen lassen von seinem Krankenlager aus im Büro anzurufen, um sich nach MEINEM Wohlbefinden zu erkundigen.

Wenn Ayda (unsere armenisch-türkische Sekretärin) gerade mal nicht mit einem Heizkörper hinter mir herläuft, zieht sie kämpferische Parolen skandierend durch New York. Zunächst dachte ich, dass sie sich NUR für das Recht der Studenten einsetzt, Gewerkschaften zu bilden - offenbar wehrt sich die NYU mit Händen, Füßen und teuersten Anwälten dagegen. Inzwischen habe ich mitbekommen, daß sie auch für Palästinenser und dergleichen auf die Strasse geht. Wenn Nd. sie ins Wochenende verabschiedet, trägt er ihr immer noch auf, sich zu melden, wenn sie verhaftet wird. Übermorgen gehen Ayda und ich afghanisch essen. Nd. soll das Restaurant empfehlen, denn der ist ja Afghane.

Wer sagt, daß man nur in Freiburg Leute trifft, die man nicht treffen will? Den ganzen Sonntag über habe ich mich bei herrlichstem Sonnenschein im Central-Park über das Schnippchen gefreut, das Sybille und ich am Vorabend so einem Händler von der Warenbörse geschlagen hatten, der uns im Eastvillage aufgegabelt hat: Erst die ganze Nacht von In-Kneipe zu In-Kneipe führen lassen - mächtig Spaß gehabt- und am Ende die Telefonnummer nicht herausrücken. Hat zwar gestimmt, daß ich sie nicht erinnern konnte, aber geglaubt hat der das nicht.

Und was passiert, als ich am nächsten Tag behende zum Pier 16 am East-River zum Open-Air-Tango eile, um Corinna nicht länger zu enttäuschen? Sobald ich aus der U-Bahn steige, stolpere ich über den Händler, der sich hocherfreut zeigt, auf einen Drink mit Blick auf Sonnenuntergang über Brooklyn besteht und darauf, beim Tango zugucken zu dürfen. Habt Ihr dafür noch Töne? Damit aber nicht genug, er hat mich auch noch in der gesamten New Yorker Tangoszene unmöglich gemacht, indem ER einen Mann für mich aufgefordert hat (kolumbianische Eltern, ihr wißt schon...). Mein verdutzter Tanzpartner - will sagen, so verdutzt wie ich - hatte gerade noch die Kraft mich sichtlich gequält zu fragen, ob ich meinen "husband into tango" kriegen wollte. Der Händler hat hinterher versucht mich mit Bier und Bratwürstchen im "Hallo Berlin" (echte Zille-Litographien an den Wänden) wieder milde zu stimmen.

Eine noch weniger gute Figur machte ich vergangenen Mittwoch, als ich mich nach der Arbeit von einem Kamerateam von Channel 66 zu einem Witz habe nötigen ließ. Vor lauter Schreck fiel mir nur ein schmutziger Witz ein ("warum können Frauen nicht einparken.."). Die Amerikaner hatten nichts davon, weil sie sich mit dem metrischen System nicht auskennen ("...weil Männer immer sagen, daß das 30 cm sind..."), und ich hatte nichts davon, weil mir danach einfiel, daß das eine oder andere Mitglied des economics departments vielleicht doch etwas davon versteht UND einen Fernseher zu Hause hat. Wenn Nad. es gesehen hat, hat er sich jedenfalls nichts anmerken lassen.

Ansonsten forsche ich wie ein Stier und versuche bibtex in mein Leben einzufuehren. Davon kann die eine oder andere von Euch bereits ein Lied singen. Heute abend versuche ich es noch einmal mit Tango. So klein Manhattan ist, dieser verfluchte Händler kann ja schließlich nicht überall sein...

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