Samstag, 3. November 2007

Diwali bleibt

Wegen der vielen besorgten Nachfragen (danke!) sollte ich vorausschicken, dass M. und ich weder Terroristen noch einem Zugunglück zum Opfer gefallen sind. Heike schrieb, in Delhi seien die Diwali-Feierlichkeiten wegen der Terroranschläge abgeblasen worden. Hier in Udaipur sind wir weit davon entfernt. Wir böllern uns langsam aber sicher auf den Höhepunkt zu. Genau genommen sitzen M. und ich in dem kleinen Internet-Shop neben unserem Hotel fest und haben keine Ahnung, wie wir ohne weißes Taschentuch an den Chinaböllern vorbei heil nach Hause gelangen sollen.Was die Terroristen angeht, sagen wir uns, dass wir immerhin mit dem Diwali-Fest den Sieg von Gut über Böse feiern. Wir wissen nicht genau, ob wir die Chinaböller überleben. Aber die Terroristen haben in diesem gewaltätigen Handgemenge allemal schlechte Karten.

Vorgestern kam die Göttin Lakschmi zu den Hindus nach Hause. Den Rest des Jahres sind die indischen Häuser so verstaubt wie sonst nur meine Reisehose. Aber wenn Lakschmi kommt, putzen die Inder ihre Häuser blitzeblank. Fast könnten sie es mit Oma und Frau Tessma aufnehmen. Schliesslich ist Lakschmi die Göttin des Reichtums und man weiss nie, was sie so hinterlässt, wenn ihr Besuch ein gutes Erlebnis war. Bablu hat uns erklärt, dass die Inder früher neues Geschirr kauften, um Lakschmi standesgemäß bewirten zu können. Heute ziehen sie Fernseher und Waschmaschinen vor. Auch der Geschmack der Hindu-Götter, so vermuten ihre Gefolgsleute, hat sich an die neuen Zeiten angepasst.

Besser als die Böllerei gefallen M. und mir die Öllampen, die die Inder überall aufstellen, und die Sterne, die sie vor ihre Türen auf die Straße malen.

Lakschmis Besuch fiel außerdem mit einem nationalen Diskoabend zusammen. Wir wurden von allen Dachterassen der Stadt mit Hindi-Pop und Punjabi-Rock beschallt. Da wollten M. und ich natürlich nicht fehlen und kletterten voll freudiger Erwartungen auf die nächstgelegene Terrasse. Dort tanzte eine wildgewordene Horde junger Inder, die allesamt ihre Frauen zu Hause vergessen hatten. Kommen später, erklärte mir mein erster Tanzpartner. Der zweite, der zum Auffordern galant auf die Knie gesunken war, vertraute mir an, dass sie zwar alle Hausfrauen zu Hause hätten, aber immer mal wieder gerne eine kleine Affäre dazwischen schöben. M. und mir ist ein Rätsel, wo sie die kennenlernen. Vielleicht brechen sie in die Häuser anderer wildender Familienväter ein und rauben deren Frauen und Töchter?

Bald begannen wir uns außerdem zu fragen, ob die Inder uns Drogen in das Bier mischen würden, um uns ungestört, unsere Schreie mit ohrenbetäubenden Punjabi-Rock übertönend, vergewaltigen zu können. Der Moment schien uns gekommen, den geordneten Rückzug anzutreten. In Ländern, in denen die Frauen zurückgezogen in hermetisch abgeriegelten Häusern leben, haben die jungen Männer derart dicke Eier, dass man stets fürchten muss, sie platzten im nächsten Moment mit der Wucht eines Chinaböllers. Aber für diese Malaise fühlen M. und ich uns nicht verantwortlich.

Gestern haben wir uns endlich einmal wieder der höheren Kultur zugewendet und in Ranakpur einen atemberaubenden Jain-Tempel auf 1444 Marmorsäulen angesehen, von denen keine der anderen gleicht. Die lebende Kreatur ist den Jains so wichtig, dass sie Mundschutz tragen, um nicht versehentlich Insekten zu ermorden. Ihre Mönche ziehen nackt durch die Lande, betteln und nennen lediglich eine Bürste ihr Eigen, mit der sie die Strasse vor sich fegen, um nicht versehentlich auf ein Lebewesen zu treten. Entsprechend friedlich und idyllisch ist auch die Atmosphäre in ihrem Tempel in einem üppig mit Palmen und bunten Blumen bewachsenen Tal.

Auf dem Weg nach Ranakpur konnten M. und ich uns einmal mehr davon überzeugen, dass in der Gegend zwischen Jodphur und Udaipur unter Schäfern derzeit neonfarbene Turbane in Mode sind. Vermutlich hat das praktische Gründe. Sie wollen schon von weitem Fahrer auf sich aufmerksam machen. Die bremsen, wie wir bereits gelernt haben, nur im Notfall ab, zum Beispiel wenn ihnen Kühe, Kamele oder Schafsherden in den Weg kommen, die nach jahrelangem, knallharten Training im indischen Straßenverkehr Philosophen geworden sind, zumindest aber taub für jedes Hupen.

Abends kamen M. und ich nicht umhin, uns auf Udaipurs romantischen Dachterassen “Octopussy” anzusehen, einen James Bond aus den siebzigerJahren, der zur Hälfte in Udaipur spielt. Wie wir feststellten, hat sich seitdem nicht viel verändert. Insbesondere können 007-Verfolgungsjagden nur solche Zuschauer beeindrucken, die nicht schon einige wilde indische Rikschafahrten hinter sich haben.

Heute haben M. und ich eine japanische Domina kennen gelernt und einen Schweizer Antiquitätenhändler, der sich der Shiva-Sekte angeschlossen hat und in seiner Freizeit für seine Kumpels mittelalterliche Ritterkostüme in Indien anfertigen lässt. Weil der uns aus Anlass des Diwali-Finales ein paar Biere ausgegeben hat, fühle ich mich außer Stande, Euch heute bereits jetzt alle Details zu berichten. Wir sprechen uns morgen.

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