Samstag, 3. November 2007

Hell's Kitchen

Email vom 30 September 2000:

Inzwischen bin eine echte Manhattanite und eile morgens mit meinem Computer durch Midtown West anstatt durch die Grand Central Station. Das ist sehr angenehm, denn auf der Westseite sind die Menschen ein bißchen weniger hektisch als die Pendler im Osten.

Meine Wohnung ist in einer dieser Strassen wie man Sie aus dem Fernsehen kennt: Gußeiserne Treppen vor dem Eingang und Bäume (!) am Straßenrand. Von innen, wie gesagt, ein bißchen weniger Komfort. Beeindruckend ist vor allem die Statik: Es ist einfach alles schief - von den Schubladen, über den Herd bis hin zu den Türrahmen. Wird wohl nichts mit Türen aufhängen.

Jochen sagt, die Wohnung erinnert ihn an das Kabinett des Doktor Caligari. Wegen der Dusche in der Küche soll ich mich nicht so anstellen, meint er. Als er in Paris studiert hat, war sogar die Toilette in der Küche. Na, dagegen lebe ich ja in Saus und Braus!

Wahrscheinlich läuft Jochen gerade wie ein Zombie durch die Uni Hamburg und tritt Türen ein wie kurz vor seiner Abreise nach Berkeley. Seine Nerven sind bekanntlich etwas schwach, und er hatte einen schlechten Tag: Meinen Haustürschlüssel konnte er nicht verabredungsgemäß in den Briefkasten werfen, denn der hat gar keinen Schlitz (erster Kulturschock). Also hat er den Schlüssel dem Briefträger gegeben und ist mit einem schlechten Gewissen nach Deutschland geflogen, nur um festzustellen, dass er 1. seinen Schlüssel für die Wohnung in Berkeley bei mir vergessen hat, 2. sein Gepäck mit seinen Unterlagen für den Vortrag in Koblenz und seinem Anzug verloren gegangen ist. Wenn Ihr ihn trefft, könnt Ihr ihm sagen, daß ich immerhin den Schlüssel gefunden habe, und daß der Briefträger ein ehrlicher Mann ist.

Curzio kommt am 11. Oktober, und Hartmut hat angeordnet, dass ich VORHER zu Ikea fahre, um Vorhänge zu kaufen. Wir wollen bescheiden leben, aber nicht wie in Sodom und Gomorrha.
Da mir niemand von Euch Tips geben konnte, habe ich die nette israelische Fotografin einfach so auf die Piste gelockt wie ich es auch mit einer deutschen Frau gemacht hätte. Hat geklappt! Eigentlich ist sie Künstlerin, aber ihren Lebensunterhalt muß sie sich mit einer Arbeit im Fotolabor und wedding shootings am Wochenende verdienen. Demnächst hat sie eine Ausstellung in einem Friseursalon, und ich habe ihr fest versprochen zu kommen.

Beeindruckt bin ich von den Forschungsseminaren an der NYU. Es kommen immer ganz bekannte Leute und alle kennen sich und nennen sich gegenseitig Ned, Chad usw.. Die jungen Assistenzprofessoren beißen hier um sich wie die Schäferhunde, wenn sie Gelegenheit dazu haben. Scheint ein rauher Wind zu sein, der hier weht...

Deswegen, zurück zur Forschung...

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