Freitag, 22. Februar 2008

Asien nur scheinbar für Anfänger - Singapur

Eigentlich war der Reisestart in Singapur als Asien-für-Anfänger-Programm für den Schatz vorgesehen zum langsamen Eingewöhnen an eine neue, fremde und für viele überwältigende Welt.

Im Grunde eignet sich die Stadt auch dafür. Zum Beispiel Little India: In den Arkaden verkaufen sie in kleinen Geschäften bunte Saris, opulenten Schmuck, exotische Gewürze und Currygerichte; in Hindutempeln mit schreiend bunten Götterstatuen an der Fassade spielen sie uns völlig unbekannte Instrumente und kreiieren mit Räucherstäbchen Schönebergatmosphäre - und das alles ohne Kühe, ohne Dreck und Gestank und ohne unkontrollierte Mopedfahrer, die den Fussgängern unter ohrenbetäubendem Hupen nach dem Leben trachten. Im Rest der Stadt gehen Chinesen, Malayen, Inder und Europäer eilig ihren Geschäften und Besorgungen nach - besonders letzteren, denn Shoppen ist des Singapuris liebster Freizeitspaß - und das alles inmitten von hochmodernen Straßen und Wolkenkratzern, harmonisch nach Feng-Shui-Regeln erbaut, wohlgeregeltem Verkehr und einer hocheffizienten U-Bahn, die so sauber ist, dass man jederzeit auf dem Fußboden eine Notoperation durchführen könnte.

Wahrscheinlich hat sich der Schatz auf die Art und Weise auch bestens an Asien gewöhnt. Nur mich, den alten Traveller-Hasen, hat es aus den Latschen gehauen. Bizarrerweise ließ ich mich ausgerechnet in den Tropen als erstes von einer schweren Erkältung niederstrecken. Ich weiss nicht was mein Immunsystem so geschwächt hat. Vielleicht war es die verwirrende Vielfalt an Göttern, die in dieser Stadt angebetet werden, in Moscheen und Tempeln, die entweder dem Buddha, den Hindugöttern oder dem schnöden Mammon geweiht sind. Vielleicht hat mich die Konsumlust der aufstrebenden Voelker Asiens überwältigt, obwohl ich schon einmal während einer Dienstreise Gelegenheit hatte, mich davon zu überzeugen, dass sich auf mehr als zwei Kilometern Orchard Road eine glitzernde Marmor- und Glaspracht von Shopping Mall an die andere reiht, immer wohl gefüllt mit flanierenden Singapuris, die sich von den europäischen und amerikanischen Luxusmarken bereitwillig anlocken lassen. Oder vielleicht war es der Leistungsdruck in einem Land, in dem Eltern beim Mittagessen in jedem einfachen Foodcourt auf Grabbeltischen Literatur erstehen können, die ihnen dabei hilft, den Sprößling in der Schule auf das bestmögliche Testergebnis zu trimmen. Vieleicht ist aber auch einfach nur so, dass Übung zwar irgendwie den Meister macht, aber deswegen noch lange nicht überall und zu jederzeit vor Kulturschock schützt.

Herr N. aus dem Büro hatte die These aufgestellt, die Asiaten verbrächten ihre Freizeit so gerne mit Einkaufen, weil sie kaum Kultur hätten. Als hätte sich der singapurische Premierminister so etwas nicht zweimal sagen lassen wollen, hat er in den letzten Jahren überall in der Stadt Kulturzentren, Theater und Musikhochschulen mit modernster und gewagtester Architektur errichten lassen, in denen gerade für kleine Projekte viel Zeit und Raum vorgesehen ist. Allerdings sagt man ihm nach, dass er nicht viel von der Meinungsfreiheit hält, weswegen der Schatz und ich ein wenig zweifeln, ob die freie Szene so ohne weiteres blühen kann, auch wenn man ihr zugegebenermassen zumindest architektonisch einen Raum geschaffen hat, von dem die unsere nur träumen kann. Auch das Museum für moderne asiatische Kunst war exquisit und teilweise sehr avantgardistisch, allerdings bei weitem nicht so gut besucht wie die Shoppingmalls. Diese Betrachtung ist möglicherweise jedoch nicht ganz fair, denn wir waren dort wochentags gegen sechs Uhr und wer gerne Luxuswaren shoppt muss sicherlich auch lange arbeiten.

Den größten Shock erlitt ich beim Bücherkauf, als ich die langen Reihen von Fachliteratur nach Belletristik mit Malaysiabezug absuchend ("How to become a successful businessman") in der Abteilung fuer Jugendliteratur auf die Kategorie "award-winning readers" stieß und gleich dahinter das Regal fuer "intermediate readers" erblickte Wie gelingt es diesen Kindern nur, so hip gestylt ununterbrochen die Shoppingmalls zu füllen, wenn sie eigentlich die ganze Zeit damit beschäftigt sein müßten, ihre englischen Lesefähigkeiten zu verbessern oder Lehrwerke aus dem Foodcourt durchzuackern, um ihre Ergebnisse bei amerikanischen Unizugangstests zu optimieren? Das erinnert mich an ein Gemälde aus dem Museum mit dem Titel "vibrant youth", das kraftstrotzende und überglückliche Jugendliche zeigt, die über die Wolkenkratzer von Singapur hinwegfliegen.

Unsere praktische Reisekleidung erlaubte uns leider nicht, an Singapurs Nachtleben teilzunehmen oder im Raffles einen Singapur Sling zu trinken, obwohl uns unser Rucksacktouristenreiseführer diese Attraktionen sehr ans Herz gelegt hat. Allerdings erwähnte er nicht die Hindernisse auf dem Weg dorthin. Rucksackreiseführer sind nicht mehr, was sie einmal waren. Früher brachten sie einem bei, wie man mit zwei US-Dollar durch den Tag kommt. Heute empfehlen sie einem Restaurants und Bars, wo es die Kellner nach einem kurzen, abschätzigen Blick auf die Baumwollhose der angehenden Gäste rundheraus ablehnen, sie auch nur für die Warteliste in Erwägung zu ziehen, selbst wenn ganz offensichtlich Tische frei sind. Vielleicht war das besser so. Am Ende wäre ich noch mit einem zwielichtigen Nick Leeson durchgebrannt und könnte jetzt nicht mit dem Schatz im idyllischen Melakka voller roter Lampions mit Drachenumzug und Karaoke das Ende des chinesichen Neujahrsfestes feiern.

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