Donnerstag, 13. September 2007

Im Land der Maharadjas

Entgegen all unseren Erwartungen und allen widrigen Umständen zum Trotz ist es uns gelungen, im Land der Maharadjas anzukommen - in Jaipur in Radjasthan.

Unsere Bleibe gleicht einer Mischung aus einem Palast aus Tausendundeiner Nacht und einem englischen Herrenclub. Ein Innenhof reiht sich an den anderen, die Fenster, Balkone und Säulengänge sind voller arabischer Verzierungen und davor erstreckt sich ein saftiger grüner englischer Rasen, auf dem zuvorkommende, weiß gekleidete Kellner mit Turban indischen Männern und europäischen Frauen Tee servieren.

So viel Ruhe hätte ich mir auf dieser Reise kaum zu erhoffen gewagt. Nicht zu glauben, dass nur wenige Meter von unserem Hotel entfernt ein ähnlicher Moloch pulsiert wie in Agra und Delhi! Nur dass sich hier zusätzlich noch Kamele in das Verkehrschaos einreihen. Immerhin besteht jetzt Hoffnung, dass M. endlich dasKamelfoto glückt, für das sie in Ägypten immer zu spät abgedrückt hat. Nach unseren missglückten Versuchen, Kings of the Road und größere Gruppen von uniformierten Schulkindern auf Fahrradrikshas aufzunehmen, sollten wir aber auch hier die Hoffnungen nicht zu hoch hängen.

Unseren kleinen Maharadja-Palast haben wir uns hart erkämpft und redlich verdient. Und nein - wir sind nicht unter die Luxustouristen gegangen. Paläste sind hier derartig im Überfluss, dass es auch Rucksacktouristenversionen davon gibt.

Eigentlich wollten wir gestern um 6:15 auf den Zug von Varanasi nach Jaipur aufspringen. Als wir nach zähen Verhandlungen mit dem Rikshafahrer und einer wie immer abenteuerlichen Fahrt über die Marktstraße von Agra, wo morgens um fünf selbstverständlich schon die Hölle los ist, am Bahnhof an der Roten Festung ankamen, wähnte ich mich in einer indischen Version des Londoner East End zu Charles Dickens Zeiten. Neben der üblichen Phalanx von Frühschicht-Schleppern, die uns allerlei Waren und Dienstleistungen feil boten, tummelten sich auf dem Bahnhof bettelnde Kinder, auf Karton gebettete Obdachlose, über die man dezent hinübersteigen musste, um sich seinen Weg zu bahnen, und ganze Familien, die auf dem Boden hockend frühstückten und geduldig auf den Zug warteten. Den durften wir etwa um 7:30 Uhrerwarten, wie mir der Bahnangestellte am Informationsschalter gut gelaunt eröffnete. Daran sollte wir uns mal lieber gewöhnen, meinte eine Amerikanerin, die trunken von überlegener Indienerfahrung offenbar etwas hochnäsig geworden war. Sie prahlte mit ihrer siebenstündigen Wartezeit in Delhi. Wir entschieden uns, zart besaitet wie wir sind, für eine weitere Mütze Schlaf in unserem Hotel.

Drei abenteuerliche Rikshafahrten später sah die Amerikanerin ein wenig blass um die Nase aus, aber es bestand immer noch keine Aussicht darauf, dass der Zug aus Varanasi in weniger als anderthalb Stunden ankommen würde. Also entschlossen wir uns zu der Fahrt im Luxusbus, den uns die Bürger von Agra und Ms Reiseführer ohnehin von vornherein ans Herz gelegt hatten,. Zur Not hätte ich einfach den Bushalter an jedem zweiten Baum angehalten, um die Blasenentzündung mit der Busfahrt zu vereinbaren.

Unser freundlicher Rezeptionist schimpfte mit uns, weil wir das Geld fürden Zug einfach so zum Busfenster herausschmissen. Ich kann ihn verstehen. Er stammt aus einer Bauernfamilie und für ihn sind 270 Rupien, umgerechnetetwa 5 Euro, eine Menge Geld. Trotzdem schloss er uns in sein Herz und wir führten eine längere Diskusssion darüber, dass Muslime, Hindus und Christen allesamt Menschen sind und es gar keinen Zweck hat, sich voneinander abzugrenzen oder sich gar die Köpfe einzuschlagen. Dann beglückwünschte er uns, dass wir gemeinsam durch Indien reisen und Herz und Geist für fremde Länder öffnen können - eine indische Frau in unserem Alter müsste sich statt dessen schon mit vier bis fünf Kindern herumschlagen. Seine Vorstellung, dass ein gehörnter indischer Mann seine Frau erschießt, während in unserem Land der beherzte Seitensprung zum allgemein akzeptierten hedonistischen Alltag gehört, ist zwar nicht ganz akkurat, aber wir ließen ihn in seinem Glauben.

In jedem Fall hatte der Mann ein großes Herz und organisierte mir zum Abschied eine von den großen Toilettenrollen, die sonst nur der Hotelbesitzer und Langzeitgäste bekommen, eingeschlagen in kostbares rosa Papier. Wir wollen nachher ein Foto davon machen.

Der Luxus des Busses bestand darin, dass er nur eine halbe Stunde Verspätung hatte und man keine aufblasbaren Sitze aus Europa mitgebracht haben musste, um nicht im Stehen fahren zu müssen. Die Klimaanlagetechnik bestand in offenen Fenstern, aber immerhin kamen wir heil in Jaipur an, auch wenn unser Busfahrer gelegentlich am ganz rechten Straßenrand eine dritte Spur aufmachte, um auch bei Gegenverkehr ungestört überholen zu können. Auf dem Weg sahen wir Lastkamele, Pferdekutschen, einen Haufen Affen und überall Menschen auf Fahrrädern, Mopeds, Kutschen Rikshas und unter Bäumen ruhend (die Männer) oder auf den Feldern arbeitend (die Frauen). Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es nur etwas über eine Milliarde Inder geben soll.

Jetzt warten wir auf märchenhafte Abenteuer, in denen Prinzen , Elefanten und Kamele eine wichtige Rolle spielen werden.

Von der Schlägerei zwischen Auto- und Fahrradrikshafahrern in die wir neulich Nacht geraten sind, erzähle ich ein andermal.

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