Mittwoch, 29. August 2007

Kafka, le purgatoire et l'enfer de la bureaucratie franco-allemande I

There is an international organisation in Paris that likes to divide its member countries into different categories according to economic performance. The story typically runs somewhere along these lines:

  1. High efficiency - low equity countries with fast adoption of new technologies and a well-developed service economy prefering a light regulatory touch. Yes, you guessed it, those countries are Anglo-Saxon, perfectly happy embracing globalisation with its pleasant shake-up for everybody who risked falling asleep.
  2. High-efficiency-high equity countries with fast adoption of new technologies and a-well developed service economy, overall, prefering a light regulatory touch: That's the Nordic Paradise, including Holland - because we're not German, we don't like them and can't do anything about it, it's genetic (because we always lose the important football games, more like).
  3. And losers on all of those grounds. Yes, that would be us. Big continental European countries, stubbornly resisting the winds of change and the much needed adjustment to it. Doomed to downfall.

I came to Paris and experienced the culture-clash right away, between flexible and market-oriented Anglo-Saxons and old-world continental Europeans who cannot adapt. I met this English bloke who wanted to rent a 30 sq meter, three-storey house in a Marais backyard to me. When I asked him for a written contract, he said: oh no! First we should trust each other, because we know one person in common, and second, he didn't want to go through the annoyingly bureaucratic French system. Do you need translation? While I very much enjoy your wine and your savoir-vivre, I have no intention of paying your outrageously high taxes, you bloody continental socialists, what do I say - Stalinists! He backed down, though, when he realised he was trying to rent his hut to a treasury official. He offered me some ink on paper along with the promise that he'd file taxes in England. I bet the French and the English have a double tax agreement that allows you to pay taxes on your French real estate income in England.

He had no problem cancelling on his Japanese clients to make a longer arrangement with me. When - just to let French bureaucracy pale - I sent around Botschaftsrat Sauer to look at the house and convince himself in the name of the Federal Republic of Germany that it was befitting for me to represent her in it, the buraucracy-phobe Englishman even found a way to let him in from across the channel.

But when I finally pulled out myself because I found a better offer and decided to embrace market flexibility for once, the man wrote a heartbreaking, bilingual email copied to our common friend about his personal disappointment, my cunning in particular and the hardships of business in general.

Market flexibility is all very well for the Englishman as long as he does not have to bear the consequences.

Dienstag, 28. August 2007

Wieder in Paris

Heute bin ich die privilegierteste Frau des Kontinents, Prinzessin der europäischen Hauptstädte, Königin eines untergehenden aber zauberhaften, alten Reichs.

In einer Art flat iron building Version Haussman residiere ich auf meinem Balkon mit schmiedeeisernem Gitter hoch über einer der belebtesten Straßen des 11. Arrondissment und tafele. Seezunge, frisch für 1,90 € von Monoprix, dem Supermarkt von nebenan. Ich weiß, dass ich wie die Verwandschaft klinge, die nie versäumt zu betonen, wie günstig der Schinken war, den sie zum Frühstück reicht. Aber wenn ich daran denke, wie ich den Schatz vor vier Tagen noch mit ick-jloobe-die-müßten-von-heute-sein-Sardinen von Kaiser's vergiftet habe! Von heute. Am Donnerstag. Im Kaiser's. Na klar!

Gelobt sei die französische Fischtheke. Ein Hoch auf sie!

Der Sonnenuntergang am Horizont über der Bastille umsäumt die verspielten, blau-grauen Wolken mit blutrotem Rand. Unten auf der Straße knattern die Motorräder. Gegen Mitternacht wird sich auch die Weinseligkeit der Bistrot-Gäste Gehör verschaffen. Aber noch essen sie, sind zufrieden – und leise.

Liebespaare schlendern eng umschlungen über die Kreuzung. Vielleicht um dem Publikum in den anliegenden Bars den Aperitif mit einer zärtlichen Szene zu versüßen. Vielleicht sind sie auch einfach nur verliebt.

Eine afrikanische Familie spaziert mit den Einkäufen nach Hause. Die Mutter trägt ihre sinnliche Fülle in einem bunten, aufwändig gewickelten Gewand und passendem Turban mit stolzem, bedächtig wiegendem Gang durch diese eilige Stadt, als müßte sie noch der Hitze ihrer Heimat trotzen. Als der Schatz anruft, spielt eine Afro-Trommel-Gruppe vor dem Café.

Ich bin wieder da! So als wäre ich nie weg gewesen.

Die Freunde sind fast alle noch da. Manche genau dort, wo ich sie vor zwei Jahren hinterlassen habe. Manche sind zu neuen Ufern aufgebrochen.

Sie kunsthandwerkern in ihren Ateliers unverdrossen gegen die rasant steigenden Lebenshaltungskosten der europäischen Hauptstädte an. Sie finden ihr Erwachsenenleben langweilig oder lassen es gleich ganz bleiben und beschränken sich auf das Altern. Sie leben ihre Großstadtneurosen, Pariser Version, lassen viel Geld bei Psychiatern oder erstellen Kompetenzbilanzen auf Kosten des immer großzügigen französischen Staates, stellen fest, daß sie eigentlich zur Journalistin geboren sind und brechen in ferne Kontinente auf, um gleich mit interessanten Sujets in das neue Metier einzusteigen. Sie kombinieren ein Leben als angehender Filmstar in Hollywood mit einem Leben als Wetterfee in Paris, schimpfen, so wie es sich für Pariser gehört, aber lassen sich nie unterkriegen. Eine besonders Hartgesottene hat nach schwerer Operation ein Loch in der Gehirnmasse zurückbehalten, das sich nicht mehr zurückbilden will. Als eine Freundin sie gefragt hat, ob sie sich nicht für Drogen- oder Diamantentransporte interessiert, hat sie herzlich gelacht. Großstadtleben härtet ab.

Und ich bin wieder mittendrin.

Gestern habe ich noch mit J. an der Krummen Lanke die hübschen, blonden Kinder beim Baden und Tollen beobachtet. Und jetzt – wieder hier.

Gestern habe ich noch Widerstand gegen den dicken Berliner Polizisten geleistet, der es nicht fassen konnte, dass sich morgens um vier zwölf Nachbarn in unserem Szenekiez über unsere Party beschwert haben und er deswegen fünf Stockwerke hoch steigen musste. Ich kann das auch nicht fassen. Fühlen sich als Avantgarde der entwickelten Welt, aber müssen gleich die Polizei anrufen, wenn eine Handvoll treuer Staatsdiener sich einmal im halben Jahr ein bißchen amüsieren möchte. Das Mädchen aus dem Prinzessinnenbad hat recht: Trau keinem, der im Bioladen einkauft! Spießiger als alle meine Nachbarn der vergangenen 15 Jahren zusammen. Und ich habe alles mögliche gemacht, aber nicht nur in Metropolen gewohnt.

Die Türken im Stühlinger haben nie die Polizei gerufen. Die beiden Omas in Williamsburg haben erst am nächsten Tag gezetert und dann auch nur untereinander im Treppenhaus. Auch die Pariser aus der Passage Alexandrine haben nie die Polizei gerufen, obwohl sie sich gleichzeitig nicht zu schade waren, eine Bürgerinitiative gegen den Kinderlärm auf der Halfpipe anzustrengen. Die Hamburger waren zu kühl und ein Nachbar zu bekifft, um die Polizei zu rufen. Selbst die bürgerlichen Passauer Studenten in ihren Streifenhemden haben nie die Polizei gerufen. Obwohl - einer ist mal wutentbrannt in den Partykeller gestürzt und hat den Stecker gezogen. Ohne sich vorher um Kommunikation zu bemühen. Um neun, oder so. In dieser Gesellschaft also befinden sich die Berliner, die großen Lebenskünstler, die Nachtprojektarbeiter, nie ohne Notebook im Café und ohne Baby auf den Schultern. Die Wochentagsnachtclubbesucher, die sich und ihre digitale Projektarbeit mit Messen feiern, die „five to nine“ heissen. Ausgerechnet die müssen die Polizei anrufen! Und das auch noch zu zwölft. Na ja, wahrscheinlich haben wir sie bei der Arbeit gestört.

Aber jetzt bin ich hier und kann mich wieder im täglichen Überlebenskampf mit den Parisern messen. Keinen Schmerz zeigen, wenn das Gegenüber auf dem engen Trottoir keine Anstalten macht zu weichen und statt dessen lieber seinen spitzen Ellenbogen in meinen Oberarm rammt. Aber auch nicht selber nachgeben und in letzter Sekunde in die Gosse springen. Da muß man durch! Und bloß dem Hintermann in der Salatbar nicht anbieten, bei Bedarf auch ruhig durch die Beine hindurchzugreifen, wenn er eine Sekunde der Reflexion nicht ungenutzt lassen mag, um sich an uns vorbeilangend sein Mittagessen so schnell wie möglich zu ergattern. Bloß weil sie keine Schnauze haben, sind das hier noch lange keine Zimperliesen.

Nein, ich will mich nicht ärgern, wenn mich der Verkäufer im Geschäft auf meinen tout petit accent très charmant aufmerksam macht. Ich nehme es als Kompliment und trage ihn mit Stolz. Den Akzent, meine ich, nicht den Verkäufer.

Ich will nur ein paar Monate Seezunge aus dem Supermarkt essen, bei der Post in der Schlange hinter Frauen stehen, die wie Naomi Campbell aussehen, mich in der U-Bahn über den fehlenden Sitzplatz damit hinwegtrösten, dass die ganze globalisierte Welt mit mir in der Bahn steht und mein Schicksal teilt: arabische Franzosen, Franzosen aus Schwarzafrika, Franzosen aus China und Vietnam und vielleicht auch noch zwei Franko-Franzosen. Wenn' s hochkommt.
In Berlin bin ich zwar auch meistens die einzige Deutsche in der U-Bahn, aber die anderen sind entweder Edelkanacken aus Amerika, Frankreich oder Spanien, oder sie sind sonst irgendwie weiß. Polen, Ukraine, Türkei. Da sieht man nichts. Das zählt nicht als Globalisierung.

Und ich will den Schatz auf den Geschmack bringen. Mehr will ich nicht.

Dann komme ich wieder in die Stadt der Stadtseen und der Stadtwälder, in der immer noch einer eine unerprobte Idee einfällt, die sie unbedingt ausprobieren muß, und in der jeder machen kann, was er will, ohne das die anderen komisch gucken.

Nur die Polizei rufen sie vielleicht an.