Dienstag, 26. Februar 2008

Malaysia fuer Kolonialherren - Cameron Highlands

Nach den vielen Strapazen in der Tiefebene haben wir uns zur Erholung für ein paar Tage in die Teeplantagen der Cameron Highlands zurückgezogen, um frische Luft zu atmen, abends endlich einmal die Pullover anzuziehen und die Ruhe zu genießen. Damit folgten wir den ehemaligen englischen Kolonialherren, die hier im Sommer Zuflucht vor der Schwüle der malariaverseuchten Küsten suchten. Golfplätze, englische Herrenhäuser, Rosenzüchter und die allgegenwaertigen Scones zum Fünf-Uhr-Tee zeugen noch heute von dieser Vergangenheit.

Voller Vorfreude auf einen herrlichen Spaziergang im saftig grünen Regenwald begaben wir uns gestern mit ein bisschen Wasser, Bananen und Keksen auf Jungle Trail No. 8. Der steile Anstieg würde uns gut tun, nachdem wir mehrere Tage in engen Bussen verbracht hatten, so meinten wir. Niemand hatte uns jedoch darauf vorbereitet, dass steiler Anstieg in dieser Gegend häufig mit Erosion einhergeht, deren Ergebnisse sich ohne Zuhilfenahme von Baumwurzeln und erstklassiger Kletterkünste nicht überwinden laessen. Gemessen daran, dass die höchste Anhöhe, die wir im täglichen Leben zu meistern haben, der Prenzlauer Berg ist, bewältigten wir unsere Aufgabe erstaunlich gut. Wir sprangen leichtfüssig über umgefallene Bäume, zogen uns kraftvoll an Ästen und Baumwurzeln hoch und etwa auf dem gefühlten Höhenkilometer 15 durften wir den Triumph erleben, an einem um zehn Jahre jüngeren, weltreisenden Pärchen aus der Schweiz vorbeizuziehen, das bis dahin gemeint hatte, uns etwas vorturnen zu können. Sie hatten jedoch ihrerseits die Klettertour völlig unterschätzt und kamen mit den übersichtlichen malaysischen Frühstücksportionen noch nicht ganz klar, so dass dringend eine Brotzeit vonnöten war. Zwar mussten wir nicht die Bernhardiner losschicken - so schnell gehen Schweizer in den Bergen dann doch nicht verloren - aber weil sich die beiden auf dem Gipfel angelangt mit zwei anderen Weltreisenden beim Abwägen der Vor- und Nachteile von Hawaii verquatschten, hängten wir sie am Ende dennoch unaufhaltsam ab. Wir haben nur drei Wochen und keine Zeit zu verlieren.

Unser heutiger Spaziergang über die Golfplätze und durch die lieblichen Hügel der örtlichen Teeplantagen hatte alle Anlagen, wesentlich gemütlicher zu werden. Morgens schien auch noch alles nach Plan zu laufen. Auf dem Golfplatz vor Tanah Rata trafen wir das freundliche, ältere, asiatische Paar, dem wir hier täglich begegnen, seit sie naserümpfend mit uns in Kuala Lumpur in den Billigbus zu den Camerons eingestiegen sind. Ich hatte mich schon gewundert, denn Chinesen habe ich bislang nicht als Zimperliesen kennengelernt. Als ich die Lady bei gleißender Hitze in langen Ärmeln Golf spielen sah, lüftete sich das Geheimnis. Die beiden sind Japaner, wie sie mir gerne mit einem höflichen Lächeln bestätigten. Ich bin mir sicher, sie hätte am liebsten noch Handschuhe getragen und einen Sonnenschirm.

Das Teeplantagenanwesen, das wir anschließend besuchten, gehört noch heute den Nachfahren des geschäftstüchtigen Engländers, der diese Hügel einst erschloss. Die Nachfahren gerieren sich als große Philantrophen, loben nationale Kultur- und Naturschutzpreise aus und haben auf ihrem Anwesen ein Dorf mit Schule, Buddha- und Hindutempel und langgestreckten Holzbaracken für ihre Arbeiter angelegt. Ein schicker, moderner Glasbau ragt stolz und ein bisschen keck über einen der Hügel hinaus und läd die Besucher zum Teetrinken, Teekaufen und zum Teeplantagenbesitzerbewundern.

Auf dem Heimweg von den Plantagen nach dem wohlverdienten Fünf-Uhr-Tee wurde unser Erfolg vom Vortag etwas relativiert, als es uns nicht gelingen wollte, ein anderes Bleichgesicht-Pärchen einzuholen, mit dem wir an der Hauptstrasse nach Tanah Rata schön ein Taxi hätten teilen können. Die beiden waren einfach zu schnell für uns. Am Ende sollte sich jedoch wieder einmal die biblische Weisheit bewahrheiten, die schon meine Großmutter immer so gerne zitierte: Die letzten sollen die ersten sein. Wir alle wurden von einem tropischen Regenfall überrrascht. Wir fanden ein Wellblechdach als Unterschlupf, die beiden Sprinter kamen irgendwo am Horizont unter einem Baum unter. Irgendwann gesellten sich französische Weltenbummler zu uns, die beim ersten Abklingen des Regens gleich leichtsinnig zum Weitermarsch bliesen. Bloß setzte die wirkliche Sintflut erst ein, als wir längst fernab aller Unterschlüpfe waren. Der Schatz war sehr verzweifelt und ich sah mich schon nach Tanah Rata schwimmen, da hielt einer dieser grossen Geländewagen an, über die ich mich so gerne lustig mache, und lud uns alle ein, um uns nach Hause zu fahren. Dem entzückenden chinesischen Paar aus Kuala Lumpur, das uns aufgelesen hatte, brach es fast das Herz, einige hundert Meter weiter die beiden Sprinter mangels Platz nicht mehr in ihrem Wagen aufnehmen zu können. Der Anblick der beiden, wie sie in der Sintflut unter seinem Vliespullover Schutz suchten, war allerdings auch herzerweichend. Wir hoffen sehr, dass es hinter uns noch andere Chinesen mit großen Geländewagen und großem Herzen gab.

Von unseren Rettern lernten wir einiges über das Sprachenwirrwarr unter malaysischen Chinesen. Sie beide sprechen kantonesisch miteinander, allerdings kann sie das nicht lesen, weil sie eine malaysisch-sprachige Schule besucht hat. Andere Chinesen sprechen Hokkein, Mandarin oder Hainan. Ihre Tochter hingegen versteht zwar malaysisch und kantonesisch, spricht aber lieber nur englisch. In ihrem Eifer, ihre Kinder auf Harvard, Oxford und das spätere Businessleben vorzubereiten, scheinen sich die Malaysier durch nichts von den Singapuris zu unterscheiden, die auch gerne zu Hause die Muttersprache durch das Englische ersetzen, selbst wenn sie dessen nur in Grundzügen mächtig sind.

Weniger Glück hatten wir in unserer kleinen, hübschen Pension mit unseren englischen Zimmernachbarn. In den Highlands klappen sie um elf bereits die Bürgersteige hoch. Trotzdem ließen wir es uns nicht nehmen, uns vor dem Einschlafen noch ein bisschen zu unterhalten. Vermutlich gingen wir sogar so weit, ein Lachen zu wagen. Darauf fiel dem empörten Engländer keine bessere Antwort ein, als ein wütendes Poltern gegen die hauchdünne Wand zwischen uns. Mir kam das sehr unpassend vor. Zwar hatte ich in Kuala Lumpur einen Moment lang einen ähnlichen Wunsch gehegt, als eine Gruppe von Malaysierinnen auf Incentive-Reise um drei Uhr morgens noch keinerlei Anstalten machte, ihrer beeindruckenden Soundshow aus Kichern, Schreien, Singen und Drachenumzugsmusik, die sie ich weiss nicht aus welcher Anlage zauberten, ein Ende zu setzen. Allerdings kam ich im Gegensatz zu dem Engländer schnell zu dem Schluss, dass das viel zu großmütterlich und überdies äusserst unhöflich wäre und ich stattdessen zumindest klopfen und freundlich um Mäßigung bitten müsste. Nach einer weiteren Sekunde entsann ich mich meiner eigenen leichtsinnigen Jugend und beschloss, die Mädels gewähren zu lassen. Statt einer Beschwerde machte ich von meiner durch jahrelanges, hartes Training bei wilden elterlichen Partys erworbenen Fähigkeit Gebrauch, bei ohrenbetäubendem Lärm friedlich zu schlafen.

Dem Engländer sei für nächstes Jahr ein Aufenthalt in einem indischen Ashram empfohlen. Aber vielleicht ist er auch schon gestraft genug dadurch, dass mir um vier Uhr morgens bei einer spontanen Grosswildjagd die Tötung einer Mücke nur dank eines beherzten Schlags auf die Wand zwischen uns gelang, nachdem ich zuvor in Panik den schlafenden Schatz mit Autan eingerieben hatte, um ihn vor dem sicheren Malaria-Tod zu bewahren.

Keine Kommentare: