Dienstag, 4. März 2008

Trauminselmalaysia oder fast - Perhentian

Als krönenden Abschluss unserer Reise durch Malaysia hatten wir uns eine Trauminsel im südchinesischen Meer ausgesucht: Perhentian. Zwar regnete es in Kota Bahru immer noch junge Hunde, aber weil der Wetterbericht baldige Besserung versprach und für die Westküste auch keine angenehmeren Nachrichten parat hatte, hielten wir an unseren Plänen fest. Wir verabschiedeten uns von unseren verschleierten Rezeptionisten mit einem fürstlichen Trinkgeld, der uns ein stattliches Abschiedskomittee eintrug, und bestiegen ein Taxi nach Kuala Besut, von wo aus Schnell- oder Langsamboote zu der Trauminsel starten. Eigentlich...

Schon auf der Hinreise äusserte der Taxifahrer seine Besorgnis, dass die Boote bei dem Sturm möglicherweise nicht fahren könnten. Dafür war bei unserer Ankunft schon alles geregelt: Ein Freund des Taxifahrers, der in Kuala Besut ein auf Perhentian spezialisiertes Reisebüro betreibt, hatte eine Rückfahrtticket für die Überfahrt am morgigen Tag bereit und wies uns den Weg in das Kualer Besuter Hotel, in dem wir notgedrungen übernachten sollten. Nur war der Schatz gut vorbereitet und seine Internetquellen hatten ihm strengstens geraten, keine Rückfahrttickets zu kaufen, weil meistens bei der Rückfahrt weit und breit von dem richtigen Boot nichts zu sehen ist. Der Freund des Taxifahrers weigerte sich, uns eine einfache Fahrt zu verkaufen, schließlich verzichtet niemand gerne auf seine Provision. Daraufhin kauften wir gar nichts und schleppten uns und unsere schweren Rucksäcke zur Strafe im Regen zu dem zweiten Hotel vor Ort. Das bot uns allerdings nur Zimmer zu überhöhten Preisen an und am Ende mussten wir doch reumütig in dem Hotel einziehen, das uns der Freund des Taxifahrers gewiesen hatte. Tatsächlich bekamen wir das letzte erschwingliche Zimmer, das in Kuala Besut an diesem Tag zu haben war. Danach waren die Rezeptionen der Stadt von dramatischen Szenen geprägt, in denen gestrandete Taucher und Sonnenanbeter vergeblich versuchten, die Regen- und Sturmpreise auf ein verträgliches Maß herunterzuhandeln.

Der Taxifahrer und sein Freund waren übrigens nahezu der einzige Fall von Schleppertum, der uns in Malaysia begegnet ist. Anders als ich es aus Indien, Vietnam oder Ägpte kenne, hat während der ganzen Reise hat kaum einmal jemand versucht, uns in sein Hotel oder in das Restaurant der Tante zu zerren, in sein Taxi oder in seine Rikshaw, die es zumindestens an der Westküste auch nur noch zur Belustigung der Touristen gibt. Anthony Burgess würde das sicherlich darauf zurückführen, dass die Malays eine freundliche, attraktive und faule Rasse sind, wie er im Vorwort seiner Malaysia-Trilogie schreibt. Ich bestätige gerne ihre Freundlichkeit und ihr eher ruhiges Naturell. Das Fehlen der Schlepper, die die Touristen in Indien, Vietnam oder Ägypten auf Schritt und Tritt belagern, führe ich indes eher auf den relativen Reichtum Malaysias zurück. Den hat das Land zwar sicher auch seinen Chinesen zu verdanken, aber so ganz außergewöhnlich faul kann auch die Bevölkerungsmehrheit der Malays eigentlich nicht sein, sonst wäre das Land wohl kaum so weit gekommen.

Den angebrochenen Nachmittag nutzten wir, um im Regen zu schlafen ,und abends rannten wir so schnell es ging im Regen zum nächsten Restaurant, wo es hervorragenden Fisch gab. Leider bemerkten wir das erst, als wir auf Anraten eines Holländers schon das Hühnchen bestellt hatten. Holländer sind nette Leute, aber in kulinarischen Dinge sollte man sich nicht allzu sehr auf sie verlassen, das weiss ich, seit der Schatz mal auf dem Bahnhof eines Vorortes von Amsterdam - eine andere Episode des Strandes in unserem Leben - eine Frikandel zog.

In dem Restaurant war eine Atmosphäre wie in Casablanca zu Zeiten des zweiten Weltkrieges. Jeder dort kam aus einem anderen Teil des Kontinents, das malaysische Hochland, thailändische Inseln, Bangkok oder Kuala Lumpur. Alle waren in der - für die meisten vergeblichen - Hoffnung auf ein besseres Leben in einem Traumland in Kuala Besut gestrandet und während sie darauf warteten, irgendwie eine Fahrkarte zu ergattern und das nächste Schiff zu besteigen, versuchten sie gut wie möglich mit Tigerbier, Fisch, Hühnchen und einer malaysisch-chinesischen Version des Traumschiffs sich die Zeit zu vertreiben.

Besonders die Fernsehserie war sehr aufschlussreich. Die Heldin lief mit langen fliessenden Kleidern über mittelalterliche Brücken, durch provenzalische Lavendelfelder oder an den Kreidefelsen der Steilküste von Dover entlang und rief verzweifelt ihren Geliebten. Ab und zu wurde sie von einer Armada europäischer Stubenmädchen mit Häubchen und Schürze in einem Loire-Schloß empfangen. Die Kulisse sollte offenbar eine längst dem Untergang geweihte Welt repräsentieren, gewissermaßen als märchenhafter Kontrapunkt zu dem hektischen High-Tech-Leben in asiatischen Großstädten. Daran wer beide Welten beherrscht ließ die Serie keinen Zweifel. Während ich mein drittes Tigerbier leerte und gebannt in den Bildschirm starrte, fragte ich mich, ob wir nicht doch besser anfangen sollte, unsere Kinder mit Singapurer Drillbüchern zu drillen und sie langsam von der englischen Literatur für mittelgute jugendliche Leser zu der Literatur für preisgekrönte Leser hinzuführen.

Am nächsten Morgen gaben wir übermütig die Schlüssel für unser wertvolles Zimmer ab, voller Zuversicht, dass nun die ersehnte Überfahrt nich mehr lange auf sich warten lassen würde. Eine freundliche Frau in einem der zahlreichen Reisebüros der kleinen Stadt sollte unsere Hoffnungenjedoch sehr bald mit der Information enttäusches, dass an diesem und vielleicht auch am nächsten Tag wegen der Sturmgefahr kein Boot nach Perhentian fahren dürfte. Wir verfluchten unsere voreilige Schlüsselabgabe und überlegten gerade, ob wir jetzt in den Dschungel oder nach zurück Kuala Lumpur fahren sollten, da begegnete uns Antje, die Freundin des Holländers, der uns im Fischparadies zu Hühnchen geraten hatte. Eigentlich heisst sie Ilsa, aber das erfuhren wir erst Tage später. Sie riet zur Besonnenheit, denn sie hatte eben noch eine Frau von einem anderen Reisebüro am Telefon gehabt, die ihr ein Boot um 10:30 Uhr versprochen hatte. Das alles passte nicht sehr gut zusammen und als die Frau in dem Reisebüro nicht anzufinden war, beschlossen wir, erst einmal gemeinsam zu frühstücken.

Irgendwann nach dem zweiten Toast sahen wir Touristen mit schweren Rücksäcken zum Bootsanlegeplatz rennen. Der Berliner Himmel war ja bekanntlich nie geteilt und die sprichwörtliche Luft auch nicht. Vermutlich war sie es, die von Ost nach West den Reflex übertragen hat, sich grundsätzlich immer an langen Schlangen anzustellen und rennenden Konsumenten zu folgen. Der Schatz jedenfalls als geborener Westberliner rannte flugs hinterher und kam stolz wie ein Spanier mit der verheißungsvollen Nachricht zurück, dass gerade ein Boot mit noch vier freien Plätzen nach Perhentian ablegen würde. Ilsa flitzte zurück in das Hotel, um ihren Freund zu wecken und wir versprachen, das Boot noch so lange festzuhalten.

Das Boot sah aus wie ein Piratenschiff aus Fluch der Karibik und spätestens als dort Listen mit unseren Passnummern angefertigt wurden, kamen mir Assoziationen zur Titanic. Ich fragte mich, was ich bei offizieller Sturmwahrnung auf einem Seelenverkäufer wollte, der illegalerweise zu der Trauminsel fuhr. Ich verstehe bis heute nicht so recht, warum ich nicht sofort wieder ausgestiegen bin. Wahrscheinlich war ich angesteckt von der Euphorie des Schatzes. Außerdem hatte es aufgehört zu regnen und die See schien so ruhig. Das lag allerdings darin, dass der Bootsanlegeplatz in einer Flussmündung lag, das wurde schnell deutlich, als wir Antje und Henk (in Wirklichkeit Sander) und mehrere Rationen Lebensmittel eingeladen, Schwimmwesten angelegt hatten und auf das Meer ausgelaufen waren.

Wenn die Wellen nicht mannhoch waren, dann waren sie mindestens kindshoch. Oben angelangt kam mein Magen jedesmal kurz unter dem Kinn zum Stillstand und wurden dann mit dem herabsausenden Schiff bis auf meine Fersen heruntergedrückt. Der kleine Engländer, der zu Beginn noch bei jeder Welle gejuchzt hatte, als führe er auf dem Prtare Achterbahn, begann sehr schnell , bei jeder Welle seine Augen zuzukneifen und seinen Mund zu einem verzerrten Grinsen zu verziehen. Leider fühlte ich mich unter Deck besonders gut aufgehoben - wenigstens konnte man dort nicht so leicht über die Reling gehen. Der Schatz fühlte sich verpflichtet mir dort Gesellschaft zu leisten. Seine aschfahles Gesicht und die Schweißperlen auf der Stirn, trugen jedoch nicht zu meiner Beruhigung bei. Am Ende war ich doch gezwungen, mich mächtig weit über die Reling zu legen, aber wie durch ein Wunder blieb ich an Bord und der Seelenverkäufer brachte uns sogar heile zu der Insel, wenn auch nicht besonders wohlbehalten. Am Bootsanlegeplatz warteten bereits Dutzende Rückreisewilliger Robinson Crusoes, die nicht sehr erbaut schienen, als sie meines Zustandes gewahr wurden. Sie reisten dennoch an das Festland und mir gelang es, am Strand mich mit Mineralwasser und Tee in einen Zustand zu versetzen, der es mir erlaubte, mir mit dem eine schicke, palmengesäumte Bungalowanlage zu suchen. Der Schatz hatte sogar noch die Kraft sich dazu beglückwünschen, dass er nicht in dem wesentlich kleineren Schnellboot gesessen hatte, das kurz nach uns auf der Insel ankam. In der Tat sehen deren Insassen noch fürchterlicher aus als ich.

Danach lagen wir fünf Tage lang reglos unter Palmen im weißen Sand, wenn wir nicht ausnahmsweise mal in dem kristallklare Wasser badeten, Fisch aßen oder vergeblich versuchten, uns mit Malay-Cocktails mit ihren homöopathischen Alkoholanteilen zu betrinken. Die Religion führt hier offenbar auch den Gläubigen die Hand, die sich eigentlich schon vorgenommen hatten, etwa zu sündigen, zum Beispiel durch Cocktailmixen. Aber auch das konnte uns nicht davon abhalten, uns von der Überfahrt und allen anderen zuvor im Leben durchlittenen Strapazen zu erholen.

Wir standen nur zweimal auf. Einmal, um Ilsa und Sander auf der Nachbarinsel bei ihren Bungalows zu besuchen und einmal, um in langen Hosen und Hemden und mit Wanderschuhen - nicht in Badehosen und Badelatschen wie die anderen, sehr viel unprofessionelleren Urlauber - rings um die Insel durch den Urwald zu wandern, um alle Stränder auszuprobieren, die sie bot.

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