Sonntag, 2. Dezember 2007

Skandale am Pushkarsee

Der Maharadja von Udaipur ist offensichtlich klamm. Das erkennt man an seinem verfallenen, wenn auch romantischen Palast hoch über dem Picholasee.Wahrscheinlich hat sein Vater zu Zeiten der britischen Kolonialherrschaft die königliche Schatzkammer in teuren Hotels, beim Polospielen und im Kasino durchgebracht, mit der tatkräftigen Unterstützung von Varietétänzerinnen, wie das damals unter indischen Herrschern üblich war. Als Indira Gandhi in den siebziger Jahren den blaublütigen Herrschern endgültig den staatlichen Wechsel strich, hat es den Maharadja von Udaipur vermutlich eiskalt erwischt. Inzwischen hat er sich zu einem modernen Wegelagerer entwickelt. Er nimmt nicht nur horrende Preise für seine in Hotels und Restaurants verwandelten Palastbestandteile auf den Inseln des Sees, sondern verlangt auch Wegezoll von allen, die sein Palastgelände durchqueren müssen, um in die einzige Cocktailbar der Stadt zu kommen oder die Segel zu einer romantischen Schifffahrt auf dem See zu setzen wollen.

Denn romantisch ist Udaipur. Der See mit seinen palastgeschmückten Inseln ist von lieblichen Hügeln umsäumt und am Ufer waschen energische Frauen in bunten Saris Wäsche, indem sie mit Cricketschlägern darauf einschlagen. Wozu das dient, ist M. und mir nicht ganz klar geworden. Vielleicht soll es das Auswringen ersetzen? Auf jeden Fall hat M. die Schläge auf ihrem Sound-of-India-Band aufgenommen und der Nachwelt erläutert, dass sie keinem treulosen Mann, sondern nur der Wäsche gelten.

Etwas argwöhnischer beäugen wir, dass die Inder sich und ihre Wäsche im Picholasee stets mit einer ordentlichen Portion Seife waschen. Das ist bestimmt auch nicht umweltfreundlicher als der Plastikmüll der überall am Straßenrand liegt und heiligen, aber auch hungrigen Kühen als Grasersatz dient. Bablu, der uns für eine Spende an das örtliche Tierkrankenhaus in einem Ashram Joga beibringt, hat uns glaubhaft versichert, dass das den Kühen nicht gut bekommt.

In Indien nähern wir uns mit Siebenmeilenstiefeln dem Diwali-Fest. Damit feiern die Hindus Ramas Rückkehr aus dem Exil nach seinen nervenaufreibenden Kämpfen gegen Dämonen, aus denen zum Glück das Gute in Form von Rama - übrigens wie Krischna eine Inkarnation des Gottes Vischnu -als Sieger hervorging. Leider beschränken sich die Hindus nicht darauf, ihre Städte mindestens ebenso wahnwitzig bunt und blinkend zu schmücken wie die Christen die ihren zu Weihnachten. Ähnlich wie wir haben auch die Hindus den eigentlich Anlass für ihr höchstes religiöses Fest ein wenig aus den Augen verloren und beschäftigen sich hauptsächlich mit Essen, Geschenke einkaufen und Böllern.

Dass ihnen beim Essen die Zwiebelknappheit im Wege steht, die derzeit die Preise in Delhi mit noch größerer Wucht in die Höhe treibt als der Hurrikan Kathrina und die chinesische Nachfrage den Preis für Öl, erwähne ich nur am Rande. M. und mich beschäftigt vor allem das Böllern. Besonders in Pushkar war es ein wenig zu viel für unsere schwachen Nerven, als wir feststellen mussten, dass im Äther bei all den Gesängen von indischen Pilgerern, westlichen Heilsuchenden und Hindi-Popsängern noch Frequenzen für lautes Knallen frei waren. Wir waren einfach noch nicht richtig eingegroovt, meint M. Außerdem hatte unser Joga-Kurs im Aschram hatte noch nicht angefangen und uns fehlte die nötige innere Ruhe.

Während ich im Ashram bereitwillig "Om" summe und mehrere Minuten in der Baum- oder der Kerzenposition verharre, dürfte mein Rendez-vous mit Ayurveda das vorläufig letzte gewesen sein. Die beiden Inderinnen, die in unserem Hotelzimmer aufkreuzten, von uns verlangten, dass wir uns nackt ausziehen, und dann Öl über unseren Kopf gossen, waren mir einfach nicht geheuer. Außerdem erwies ich mich als so kitzelig, dass ich M. mit meinem Gelächter fast daran gehindert hätte, sich zu entspannen und zu konzentrieren. Zum Glück trug nicht nur ich allein dazu bei, auch M.s Masseurin gab Anlass zu klagen, indem sie bei der Arbeit schnaufte wie ein Walross und auf dem Höhepunkt, als sie sich so richtig in Rage massiert hatte, laut rülpste. Mir ist bis heute nicht klar geworden, warum die beiden am Ende den Rest ihres Öls über unsere Haare gossen und daran herumrissen, bis wir drohten einer kahlgeschorenen indischen Witwe zu gleichen.

Ansonsten spielten sich in Pushkar zahlreiche Skandale ab, wie in der Zeitung zu lesen war. Eine Finnin nahm in dem heiligen See nackt ein Bad,was durchaus nicht zu den Gepflogenheiten der Inder zählt. Die beklagten sich außerdem über Orgien unter der Beteiligung von Israelinnen, die in einem Hotelzimmer ihrer heiligen Stadt stattgefunden haben sollen, wobei der Journalist allerdings nicht präzisierte, wie die Bürger von Pushkar von diesem Vorfall Kenntnis genommen hatten. Ob sie durch die Schlüssellöcher der Hotelzimmer spähen, weil die Kamasutrastellungen sie schon alle langweilen und sie mal etwas Neues kennen lernen wollen? Vielleicht sind sie auch einfach prüder geworden als zu Sanskrit-Zeiten. Dafür spricht, dass auch der Kuss eines israelischen Paares am Ufer des Sees nach ihrer Hindu-Hochzeitszeremonie bei den Einheimischen nicht gut ankam.

Recht geben, muss ich den Beschwerdeführern darin, dass sich die Touristen in Pushkar ein wenig auffällig benehmen. Aus irgendeinem Grund haben sich vorwiegend Israelis ausgerechnet einen Ort zum intensivem Drogenkonsum ausgesucht, der den Hindus so heilig ist, dass sie dort noch nicht einmal Eier konsumieren, geschweige denn Fleisch oder Alkohol. Auf M.s und mein Kuchenabenteuer in Pushkar, möchte ich lieber nicht näher eingehen.

Alle, die nach Pushkar kommen, außer uns und den Israelis haben trotz fortgeschrittenen Alters Rastalocken oder Vollbärte und hüllen sich in bizarre Gewänder. Ziemlich bald fingen M. und ich an, nicht mehr barfüßige indische Pilgerer in Gandhi-Hosen und orangefarbenen Turbanen mit unserer Kamera zu jagen, sondern auch die westlichen Heilsuchenden, deren Klamotten in der Heimat schon seit mehr als 30 Jahren aus der Mode gekommen sind. Dafür jagten Mellie und mich jene indischen Pilgerer, die sich noch nicht von allen irdischen Leidenschaften, insbesondere nicht von ihrer Kamera losgesagt haben, bevor sie sich mit einem beherzten Sprung in den Pushkarsee von allem Übel reinigten. Kaum einer unter ihnen, der nicht den Unterschied fotografisch festhalten wollte, der zwischen der Körpergröße ihrer Familienmitglieder und ihnen einerseits und M.s und meiner andererseits klaffte. Während die eine Hälfte von Pushkar also bettelt und im See badet, ist die andere Hälfte damit beschäftigt, sich gegenseitig zu fotografieren. Ihr könnt Euch vorstellen, was für ein lustiges und buntes Treiben das ergibt.

Trotzdem konnten M. uns ich uns irgendwann losreißen, um uns die majestätische Festung von Jodhpur, seinen chaotischen Basar und die indigofarbenen Bramahnenhäuser anzusehen. Aber davon berichte ich nächstes Mal.

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