Sonntag, 30. September 2007

The U-Bahn and the spirit of a city

Nowhere can you sense the spirit of a city as acutely as in its subway. Its rythm and its crowdedness, its diversity, the general mood of its passengers and their pass-times will tell you almost everything you need to know about where you are.

Berlin' s U-Bahn is peaceful and quiet compared with its more vibrant, diverse and sometimes brutal counterparts belonging to real metropoles, such as New York, Paris or London. It transports much more simply dressed people than its namesakes in Hamburg, München and Frankfurt. This is a testimony to the economic misfortunes that isolation and the wall have brought to the city. Its beggars, its inofficial vendors of street magazines and its usually untalented musicians-by-necessity trying to appeal to co-passengers sometimes create scenes that seem reminiscent of the city's chaotic 1920s past.

Berlin passengers are more serene than in Paris where the standard state of mind sometimes seems to be anger about the length of their commute, the crowdedness, the crowd's smell and about the difficulty to find a decent jobs in other French cities with shorter commutes. But they are also more distant than in New York where perfect strangers are capable of telling you everything about their dreams and aspirations that have brought them to this city full of promises and of deceptions.

On the other hand, people have enough space to act in the Berlin U-Bahn, which they don't in some of the more cosmopolitan metropolitans. That can make for some interesting shows. Recently, I was sitting opposite a teenage girl who sported so many piercings that I couldn't help imagine the clinging sound she must make while walking. All the way from Alexanderplatz to Charlottenburg she kept reading to a friend on her mobile phone hard-to-believe pieces of news from a tabloid newspaper, like the one about the unknown Berliner who had cracked the jackpot but wouldn't report to the organisers to claim his prize.

Well, now I know why all the teenagers are drowning in debt as a result of sky-rocketing mobile phone bills. I hope the girl has a flatrate. For the phone that is, not for her drinks at night.

If you want to understand the current state of the world around you or explore a city, I cannot recommend the car.

Bollywood

Bei einem modernen Indienurlaub darf ein Kinobesuch auf keinen Fall fehlen. In Ms Reiseführer steht, wie viele Filme jährlich in Bombay produziert werden - das stellt alles in den Schatten, was sich in unserer müden westlichen Traumfabrik abspielt. Dementsprechend hatten wir die höchsten Erwartungen an unseren Besuch im Raj Mandir, dem größten Kinopalast Jaipurs. Wir wurden nicht enttäuscht.

Der Erfolg des Kinobesuchs rechtfertigte auch die halsbrecherische Rikshafahrt mit zwei Franzosen und ihren Rucksäcken, die uns galant in ihr Gefährt eingeladen hatten, damit wir rechtzeitig ins Kino kommen konnten. Nur mussten M. und ich unsmit dem Fahrer auf dessen Einmannsitz drücken und ich war auf die Macht von Stoßgebete angewiesen, als einziges Mittel, um meine aus dem Fahrzeug stakenden Knie zu behalten. Abstand ist nicht der Inder Stärke. Nicht umsonst bitten sie auf der Rückseite ihrer Fahrzeuge in schreienden Farben "please horn" und "keep distance".

Schon der Kinopalast ist aus außen- und innenarchitektonischer Sicht einen Besuch wert und kann es in gewissener Hinsicht mit seinen älteren und edleren Vettern, den Maharadja-Palästen, durchaus aufnehmen. In meinem Führer steht, er sei eine Mischung aus einem dieser Paläste und Walt Disney. Ich möchte anfügen, dass auch noch ein wenig Sahnetorte dabei ist. In jedem Fall ist er riesig und die Inder hübschen sich für einem Besuch weit mehr auf als die Wiener, die diesbezüglich allerdings auch nicht mehr sind, was sie früher mal waren, für einen Besuch im Burgtheaters. Die indischen Männer holen ihre besten Hemden hervor und die Frauen ihre schönsten und farbenprächtigsten Saris.

In Schlangen drängeln die Inder gestählt vom Straßenverkehr, grundsätzlich derart rücksichtslos, dass M. und ich es in den Tempeln, Palästen und Museen nur dann bis zur Kasse schaffen, wenn wir unsere gute Kinderstube komplett vergessen. Deswegen waren wir im Raj Mandir ganz froh, dass es eine Extraschlange für Ladies gab. Die setzen in diesen Breitengraden ihre Ellenbogen doch etwas sparsamer ein als die Gents.

Die Ladies-Toiletten wiederum -waren ein Schauspiel für sich. An den Türen prangt unter dem Konterfei einer edlen, verschleierten Schönheit in geschwungenen Lettern die verwirrende, aber nur teilweise irreführende Aufschrift "cosmetics". Das ist insofern korrekt, als hinter dieser Tür auf Plastikhockern kichernde Omis in bunten Saris vor riesigen Spiegeln sitzen und sich nachschminken. Den weniger mondänen Teil dieser Einrichtung nutzen nur einige versprengte Europäerinnen.

Ein ernstzunehmender indischer Film ist ein barock verschlungener Epos von mindestens dreistündiger Länge und enthält zahlreiche Gruppentanz-und Gesangsszenen. In der Pause setzt man sich mit seinen Kumpels, seinem Liebsten oder seinem Opa in ein Separée auf das Plüschsofa und trinkt Limonade. Wer keinen Sitter dafür gefunden hat, bringt sein Baby einfach mit. Kinder ab dem sechsten Lebensjahr sind ohnehin fest in den Kinobesuch eingeplant, auch wenn Liebesszenen darin vorkommen, in denen der nackte Rücken des Liebhabers zu sehen ist.

Ein bisschen gehandicapt waren M. und ich auf grund unserer mangelnden Hindi-Kenntnisse. Zum Glück hatte unser Sitznachbar Mitleid mit uns und erklärte vorab die Grundzüge der Handlung, die zum Glück nicht so komplex war, als das man ihr nicht auch ohne dies hätte folgen können. Die Geschichte war erstaunlich modern und handelte von zwei Exil-Indern in Sidney, die sich entgegen allen gesellschaftlichen Zwängen ihrer Heimat zu einer wilden Ehe entschliessen. Zum Drama kommt es erst, als sie schwanger wird und doch heiraten, er aber abtreiben möchte, weil sonst nicht mehr jeder Tag wie eine frische Liebe ist und er sich im übrigen vor Verantwortung scheut. Weil die Frau aber stark, hübsch, intelligent, lustig und patent ist, bekommt sie ihr Kind doch, dann eben ohne den unreifen Schwerenöter. Der wiederum knickt kurz vor der Geburt ein und kauft doch noch einen Diamantring,den er nach einigen Irrungen und Wirrungen kurz vor der finalen Presswehe auch noch los werden kann.

M., die zunächst ernsthafte Zweifel daran geäussert hatte, dass wir es bis zum Ende aushalten würden, vergoss am Ende sogar die eine oder andere Träne.

Ansonsten haben wir in Jaipur imposante Maharadja-Palaeste gesehen,vereinzelt auch Kamele und Elefanten, die Herrscher selbst hielten sich aber zu unserem Verdruss vor uns versteckt. Der einzig verfügbare Prinz war Abbu, unser Rikshafahrer, der aber gleichzeitig unser Bruder ist, wie er uns sofort versicherte. Abbu kennt sich gut in heimischen Marmorgravuren aus und hat eine imposante Sammlung von Poesiealben mit Liebesschwüren und Lobpreisungen verfasst von früheren Kundinnen (auch alles seine Schwestern). Da er ein wenig aggressiv fährt und insbesondere Schwächeren im Strassenverkehr wenig Luft zum Atmen lässt, erlagen M. und ich seinen Reizen nicht gar so sehr wie unsere Vorgängerinnen. Das führte offenbar zu einigen Spannungen, die einen vorläufigen Höhepunkt erreichten als M. und ich anfingen, Variationen den von Abbu vorgegebenen Programmpunkten zu erfinden. Am Ende durften wir aber doch in das Poesiealbum schreiben, obwohl er fürchtete, dass es sich nur um Beschwerden handeln koenne. Er gab uns noch einige gut Tipps mit auf dem Weg dahingehend, dass alle Inder "F.." seien (sic!) und wir uns vor ihnen hüten sollen. Ausserdem sollen wir in Pushkar, wo wir als nächstes hinfahren, nicht mit betrunkenen Israelis schlafen, denn dort gibt es bereits 88 Fälle von HIV. Abbu holte uns extra eine aktuelle Tageszeitung auf Hindu, in der die Zahl 88 vorkam, um seinen Warnungen Nachdruck zu verleihen. Das zwingt M. und mich natürlich zu einer radikalen Änderung unserer Pläne, aber bekanntlich sind wir flexibel.

Montag, 24. September 2007

L'amour und la sécu

Eigentlich habe ich mit Gesundheitssystemen gar nichts zu schaffen. Nicht einmal mit Ärzten. Die meiste Zeit bin ich kerngesund. Aber in letzter Zeit verfolgen sie mich, die Gesundheitssysteme. Auf finsteren Wegen, die niemand nachvollziegen kann, am allerwenigsten ich selbst, bin ich dazu gekommen, etwas über die jüngste deutsche Gesundheitsreform schreiben zu müssen. Und dann ist da dieser Film, den sie im Kino zeigen, der alle Nachteile nicht-amerikanischer Gesundheitssysteme schamlos verschweigt und nur deren glücklichste, wohlhabendste Nutznießer zeigt, die als drittgrößten Haushaltsausgabenposten nach dem Hypothekenkredit und dem Auto, "le poisson" und "les légumes" angeben. Das soll den Amerikanern vor Augen führen, dass Sozialismus und Kosum nicht unvereinbar sind.

Um herauszufinden, ob der Film die Nachteile des amerikanischen Gesundheitssystem ebenso schamlos übertreibt wie die Vorteile aller anderen, fragte ich Laura. Sie ist Kunsthandwerkerin. Nein, bestätigte sie mir, das bringt nicht genug Geld ein, um in Amerika krankenversichert zu sein. Nach der Kunsthochschule in Massachussets, einem sozialistischen Bundesstaat nicht weit von Europa, der seine Studenten billig versichert, hat sie nie eine Versicherung gehabt. Wie sie das denn gemacht hätte? Na, sie sei eben nie zum Arzt gegangen. Und die Vorsorgeuntersuchungen beim Zahnarzt, ohne die man die dritten Zähne nicht mehr erstattet bekommt, lag es mir auf der Zunge zu fragen. Zum Glück sprach ich es nicht aus. Aber Laura kann Gedanken lesen und fügte hinzu, sie hätte Glück gehabt und nie Karies. Wahrscheinlich gibt es in Amerika so ein umgekehrtes moralisches Risiko, bei dem sich die Leute alle besser die Zähne putzen, weil sie nicht versichert sind.

Dann erzählte sie mir die haarsträubende Geschichte von ihrem Unfall.

Gleich nachdem sie in Paris angekommen war, wurde sie von einem Lastwagen angefahren. Hilfsbereite Franzosen kamen von allen Seiten herbeigeeilt, nahmen sich ihrer an, sammelten die Einkäufe ein und riefen den Notfallwagen. Nur dass Laura beim Anblick des Wagens eine Panikattacke bekam, sich mit Händen und Füßen wehrte, zappelte, so gut es ihre verletzten Beine zuließen und brüllte, dass sie da nicht hinein wolle. Nur mit den vereinten Kräften der französischen Passanten gelang es, sie ins Krankenhaus zu bringen. Denn Laura weiss, dass eine Fahrt ins Krankenhaus 1000 Dollar kostet.

Im Krankenhaus erklärte Laura der Empfangsdame, die ihre Daten aufnahm, verschüchtert und kleinlaut in gebrochenem Französisch, sie habe keine Versicherung. Die Empfangsdame antwortete mit dem, was eine Freundin von mir wenig vornehm und auch etwas despektierlich als Mundpups bezeichnet.

Als Elodi schließlich kam, um Laura beizustehen, war sie in Tränen aufgelöst. "Die haben mich in einen Krankenwagen gezwungen", heulte sie, " und ich habe doch keine Versicheruhuhuhuung."

Es dauerte eine Weile, bis sie verstanden hatte dass sie den Ausflug im Krankenwagen nicht würde zahlen müssen. Aber nachdem sie es verstanden hatte, ist sie nie wieder zurück nach Amerika gegangen. Vielleicht haben auch andere Dinge eine Rolle gespielt. L'amour zum Beispiel, le vin und le poisson. Aber wer weiss, vielleicht hat auch la sécu seinen Anteil daran.

Montag, 17. September 2007

Die Kunst und ihr Publikum - Documenta 12

Ich bin etwa zwei Autostunden von Kassel entfernt aufgewachsen. Von der Documenta habe ich das erste Mal in meinem Leben mit 19 in San Francisco gehört von einem Amerikaner, der mir von seinem Traum vorschwärmte, einmal im Leben nach Kassel zu fahren und sich das anzusehen. Von demselben Amerikaner habe ich übrigens auch zum ersten Mal von den Einstürzenden Neubauten gehört. Der Amerikaner, der auf moderne Kunst und Einstürzende Neubauten stand, war einer der ersten, die ich kennenlernte. Auch wenn die Bekanntschaft viele Schamgefühle mit sich brachte, so hat sie mich in den lichten Momenten meines Lebens doch immer davor bewahrt, in den beliebten europäischen Chor über die Unwissenheit und Ichbezogenheit unserer Brüder und Schwestern jenseits des Atlantiks einzustimmen.

Die Schamgefühle kommen daher, dass ich mir alle fünf Jahre eingestehen muss, es wieder nicht nach Kassel geschafft habe. Dieses Jahr ist es mir endlich gelungen, diesen Bann eine Woche vor Toresschluss zu durchbrechen.

Weil meine Eltern immer noch zwei Autostunden von Kassel entfernt wohnen, schlugen wir ihnen vor, sich uns anzuschließen. Aber ich bin natürlich nicht ohne Grund in der Nähe von Kassel aufgewachsen, ohne jemals von der Documenta zu hören.

Also Tante Ursula hätte mehrere Bekannte, die dort waren, druckste mein Vater nach einer Woche Überlegen am Telefon, und die seien alle der Meinung, dass sich das nicht lohne. Ob er sich denn nicht lieber selbst eine Meinung bilden wolle, fragte ich ihn ermunternd. Na ja, aber Onkel Boskop hätte bei der Beerdigung von Oma Frieda gesagt, er habe sich das vor dreißig Jahren einmal angeguckt, und er habe immer noch die Nase voll davon. Onkel Boskop ist Bauunternehmer und hatte sich vor allem über ein zehn Meter tiefes Loch in Kassels Innenstadt geärgert, das ein Kunstwerk darstellen sollte. Er ist der Meinung, das war Geldverschwendung und zehn Zentimeter hätten es auch getan. Michael Glützer, der Lehrer habe gesagt, gab mein Vater zu Bedenken, er würde dort auf gar keinen Fall hinfahren, da hänge überall nur moderne Kunst herum. Das seien sehr viele Gegenstimmen, führte er mir vor Augen, und nicht ein Befürworter

Am Ende erwies sich der Wunsch, das einzige Kind zu sehen, jedoch als stärker, als die Macht der Gegenstimmen aus dem Calenberger Land. Meine Eltern stießen zu uns, wenn auch mit viel Skepsis.

Die Angst vor moderner Kunst erwies sich zunächst insofern als unbegründet, als die Veranstalter in Schloß Wilhelmshöhe nur ganz vereinzelt moderne Kunstwerke in eine riesige Sammlung erlesener holländischer und deutscher Altmeister eingestreut hatten, vielleicht damit sich solche Besucher wie meine Eltern erst einmal ganz langsam eingrooven können. Allerdings waren die modernen Kunstwerke derart vereinzelt, dass ich große Mühe hatte, sie zu finden. Außerdem verlor man ärgerlich viel Zeit mit den Altmeistern, denn auch wenn man nicht ihretwegen gekommen war und statt dessen ein straffes Programm moderner Kunst vor sich hatte, das keine Trödeleien zuließ, traut man sich doch nicht so recht, an Rubens oder Cranach einfach so vorbeizugehen. Ich fühlte mich ein wenig veralbert.

Der Schatz meinte, das sei alles ein mieser Marketingtrick, damit Kassel seine Altmeister, die sich sonst nie jemand ansieht, endlich einmal unter die Leute bringen kann. Wenn an einigen Stellen die Komposition von alten und neuen Meistern auch sehr gelungen war, so gebe ich ihm doch insgeheim recht. Andererseits bleibt den Städten vielleicht in unseren reizüberfluteten Zeiten gar nichts anderes mehr übrig, als sich den Waffen der Festivalisierung unserer Gesellschaft zu bedienen, wie es in den Seminararbeiten einer Freundin immer so treffend hieß. Ich erinnere nur an die Melancholie-Ausstellung in Berlin, deren zentrales Kunstwerk ein Dürer war. Der ist dauerhaft und für jedermann zugänglich im Kupferstichkabinett zu sehen, ohne dass sich jemals irgendjemand dafür interessiert hätte. Bei der Ausstellung jedoch fühlten sich die Leute an das MoMa erinnert, standen mehrere Stunden lang an, rempelten, checkten sich weg, hoben sich gegenseitig hoch und brachten sich fast um, um den Dürer zu sehen.

Nach der fast schon leichten Kost auf der Wilhelmshöhe, ging es in Kassels Innenstadt in die Vollen. Vor dem Fridericianum war eine meterlange Schlange. Der Schatz schlenderte ein wenig umher, um sich die Zeit zu vertreiben, und kam mit einem triumphierenden Lachen wieder zurück. Das hier sei auch schon Kunst, sagte er sichtlich mit sich selbst zufrieden. "Das hier, was hier?", fragte ich verwirrt. "Na, was siehst Du denn vor Dir?", fragte er, immer noch mit einem überlegenen Lachen. "Das Museum?", versuchte ich vorsichtig. "Nein". "Der Pavillon?", fragte ich weiter, auf den Rundbau deutend, den ich für einen Zeitungsstand gehalten hatte. Der Schatz drehte sich um. Ja, das sei wohl auch Kunst, aber er meinte etwas anderes. "Das Gestrüpp", tippte ich hoffnungslos. Richtig, das war es! Um uns herum erstreckte sich auf dem gesamten Platz eine Installation von 90% Klatschmohn mit 10% Schlafmohn. Zweimal am Tag erklingen dazu revulotionäre Gesänge afghanischer Frauen, wie ich hinterher dem Begleitbuch entnahm. Wir lernten auch sehr schnell, warum von dem Mohn im wesentlichen nur noch Gestrüpp übrig war. Die Frauen vor uns in der Schlange trugen beide eine rote Mohnblüte in den Haaren. Als wir endlich im Museum ankamen, fingen sich die beiden eine dicke Rüge von der Kartenkontrolleurin ein, wegen ihres mangelnden Respekts vor moderner Kunst und der Natur zugleich.

Im Eingangssaal wartete bereits die nächste Tücke. Auf einem Steinvorsprung saß ein erschöpftes Mädchen. Weil hinter ihr eine Kupfertafel ein Kunstwerk zu beschreiben schien, fragte ich den Schatz, ob vielleicht die Frau zu der Installation gehöre. Beim Verlassen des Saals erhaschte ich noch einen kurzen Blick darauf, wie sie wie von der Tarantel gestochen hochsprang, ihre Hose abklopfte und den Steinvorsprung hinter sich daraufhin inspizierte, ob sie sich etwa auf einem Kunstwerk ausgeruht hatte.

Drinnen erwartete uns ein wahres Fest: Fotos von Szenen des Islam in Europa und Israel, die weiß übermalt waren, so dass man sie nur noch erahnen kann, eine Video über eine japanische Bondage-Künstlerin, deren Kunst darin besteht, sich selbst in komplizierten Formationen aufzuhängen, Frauen, die um Kordeln und Stoffe herumtanzen, ein Gewand aus wild blinkenden Glühbirnen von einem Japaner aus den fünfziger Jahren, ein Video des Fußballweltmeisterschaftsendspiels mit Computersimulationen und eine Installation aus einer roten Kordel mit dem klangvollen Namen "Und erzähl ihm von meinem Schmerz".

Ich stellte fest, dass den Kindern das ganze Ramba-Zamba aus Bildern, Filmen und Klängen mit Keramikplastiken, die wie Eierschalen aussehen und schwarzen Gitarren mit Verstärkern, die von selbst anfangen zu spielen, viel besser gefällt als eine Gemäldeausstellung. Ich nahm mir vor mir das zu merken, falls ich einmal selbst in die glückliche Situation kommen sollte, Kinder zum Museumsbesuch zwingen zu dürfen. Wie oft ich meine Eltern noch in solche Ausstellungen zwingen kann, weiß ich nicht. Sie verabschiedeten sich erschöpft nach dem zweiten Museum und sagten, es sei sehr interessant, einmal gesehen zu haben, was man bei einer modernen Kunstausstellung so zu sehen bekommt. Am meisten habe sie die pornographische Kunst beeindruckt, zum Beispiel das Video von einem Känguruh, das einen Mann am nackten Gesäß leckt.

Der Schatz und ich arbeiteten noch zwei weitere Pavillone ab und ich bedauerte sehr, dass ich morgens auf Schick anstatt auf Bequemlichkeit gesetzt hatte. Auch wenn ich mich natürlich immer noch über die Frau in der Schlange beim Bäcker freute, die mich beinahe auf Knien angefleht hatte, ihr den Namen des Schuhgeschäfts anzuvertrauen, in dem ich meine Stiefel gekauft hatte.

Abends im Zug waren wir kaum noch in der Lage zu reden. Trotzdem konnte ich aus meiner Haut nicht heraus und verhielt mich wie meine Mutter früher nach einem Einkaufsbummel. Wenn sie alles beisammen hatte, ging sie immer noch zu den Geschäften, die sie ausgelassen hatte, um zu sehen, ob sie sich ärgern mußte. Ich las das Begleitbuch der Documenta, stellte fest, dass ich die Hälfte der Kunstwerke gar nicht wahrgenommen hatte, fragte mich, was ich den ganzen Tag in Kassel gemacht hatte und ärgerte mich, bis mir der Schatz das Buch aus der Hand nahm, sich über mein unglückliches Naturell beschwerte, und mir empfahl stattdessen lieber zu schlafen.

Das tat ich dann auch, an seiner Schulter. Was für ein Tag!

Donnerstag, 13. September 2007

Im Land der Maharadjas

Entgegen all unseren Erwartungen und allen widrigen Umständen zum Trotz ist es uns gelungen, im Land der Maharadjas anzukommen - in Jaipur in Radjasthan.

Unsere Bleibe gleicht einer Mischung aus einem Palast aus Tausendundeiner Nacht und einem englischen Herrenclub. Ein Innenhof reiht sich an den anderen, die Fenster, Balkone und Säulengänge sind voller arabischer Verzierungen und davor erstreckt sich ein saftiger grüner englischer Rasen, auf dem zuvorkommende, weiß gekleidete Kellner mit Turban indischen Männern und europäischen Frauen Tee servieren.

So viel Ruhe hätte ich mir auf dieser Reise kaum zu erhoffen gewagt. Nicht zu glauben, dass nur wenige Meter von unserem Hotel entfernt ein ähnlicher Moloch pulsiert wie in Agra und Delhi! Nur dass sich hier zusätzlich noch Kamele in das Verkehrschaos einreihen. Immerhin besteht jetzt Hoffnung, dass M. endlich dasKamelfoto glückt, für das sie in Ägypten immer zu spät abgedrückt hat. Nach unseren missglückten Versuchen, Kings of the Road und größere Gruppen von uniformierten Schulkindern auf Fahrradrikshas aufzunehmen, sollten wir aber auch hier die Hoffnungen nicht zu hoch hängen.

Unseren kleinen Maharadja-Palast haben wir uns hart erkämpft und redlich verdient. Und nein - wir sind nicht unter die Luxustouristen gegangen. Paläste sind hier derartig im Überfluss, dass es auch Rucksacktouristenversionen davon gibt.

Eigentlich wollten wir gestern um 6:15 auf den Zug von Varanasi nach Jaipur aufspringen. Als wir nach zähen Verhandlungen mit dem Rikshafahrer und einer wie immer abenteuerlichen Fahrt über die Marktstraße von Agra, wo morgens um fünf selbstverständlich schon die Hölle los ist, am Bahnhof an der Roten Festung ankamen, wähnte ich mich in einer indischen Version des Londoner East End zu Charles Dickens Zeiten. Neben der üblichen Phalanx von Frühschicht-Schleppern, die uns allerlei Waren und Dienstleistungen feil boten, tummelten sich auf dem Bahnhof bettelnde Kinder, auf Karton gebettete Obdachlose, über die man dezent hinübersteigen musste, um sich seinen Weg zu bahnen, und ganze Familien, die auf dem Boden hockend frühstückten und geduldig auf den Zug warteten. Den durften wir etwa um 7:30 Uhrerwarten, wie mir der Bahnangestellte am Informationsschalter gut gelaunt eröffnete. Daran sollte wir uns mal lieber gewöhnen, meinte eine Amerikanerin, die trunken von überlegener Indienerfahrung offenbar etwas hochnäsig geworden war. Sie prahlte mit ihrer siebenstündigen Wartezeit in Delhi. Wir entschieden uns, zart besaitet wie wir sind, für eine weitere Mütze Schlaf in unserem Hotel.

Drei abenteuerliche Rikshafahrten später sah die Amerikanerin ein wenig blass um die Nase aus, aber es bestand immer noch keine Aussicht darauf, dass der Zug aus Varanasi in weniger als anderthalb Stunden ankommen würde. Also entschlossen wir uns zu der Fahrt im Luxusbus, den uns die Bürger von Agra und Ms Reiseführer ohnehin von vornherein ans Herz gelegt hatten,. Zur Not hätte ich einfach den Bushalter an jedem zweiten Baum angehalten, um die Blasenentzündung mit der Busfahrt zu vereinbaren.

Unser freundlicher Rezeptionist schimpfte mit uns, weil wir das Geld fürden Zug einfach so zum Busfenster herausschmissen. Ich kann ihn verstehen. Er stammt aus einer Bauernfamilie und für ihn sind 270 Rupien, umgerechnetetwa 5 Euro, eine Menge Geld. Trotzdem schloss er uns in sein Herz und wir führten eine längere Diskusssion darüber, dass Muslime, Hindus und Christen allesamt Menschen sind und es gar keinen Zweck hat, sich voneinander abzugrenzen oder sich gar die Köpfe einzuschlagen. Dann beglückwünschte er uns, dass wir gemeinsam durch Indien reisen und Herz und Geist für fremde Länder öffnen können - eine indische Frau in unserem Alter müsste sich statt dessen schon mit vier bis fünf Kindern herumschlagen. Seine Vorstellung, dass ein gehörnter indischer Mann seine Frau erschießt, während in unserem Land der beherzte Seitensprung zum allgemein akzeptierten hedonistischen Alltag gehört, ist zwar nicht ganz akkurat, aber wir ließen ihn in seinem Glauben.

In jedem Fall hatte der Mann ein großes Herz und organisierte mir zum Abschied eine von den großen Toilettenrollen, die sonst nur der Hotelbesitzer und Langzeitgäste bekommen, eingeschlagen in kostbares rosa Papier. Wir wollen nachher ein Foto davon machen.

Der Luxus des Busses bestand darin, dass er nur eine halbe Stunde Verspätung hatte und man keine aufblasbaren Sitze aus Europa mitgebracht haben musste, um nicht im Stehen fahren zu müssen. Die Klimaanlagetechnik bestand in offenen Fenstern, aber immerhin kamen wir heil in Jaipur an, auch wenn unser Busfahrer gelegentlich am ganz rechten Straßenrand eine dritte Spur aufmachte, um auch bei Gegenverkehr ungestört überholen zu können. Auf dem Weg sahen wir Lastkamele, Pferdekutschen, einen Haufen Affen und überall Menschen auf Fahrrädern, Mopeds, Kutschen Rikshas und unter Bäumen ruhend (die Männer) oder auf den Feldern arbeitend (die Frauen). Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es nur etwas über eine Milliarde Inder geben soll.

Jetzt warten wir auf märchenhafte Abenteuer, in denen Prinzen , Elefanten und Kamele eine wichtige Rolle spielen werden.

Von der Schlägerei zwischen Auto- und Fahrradrikshafahrern in die wir neulich Nacht geraten sind, erzähle ich ein andermal.

Montag, 10. September 2007

Citoyens 1, serveurs 0

Finalement un jour d’été à Paris! Déterminés à en profiter, nous trouvons une place au soleil à la terasse d’un café au centre. Je commande un menthe perrier.

«Comment ? », aboie le serveur brun et petit en regardant de l’autre côté.

« Un menthe perrier, s’il vous plaît », je répète gentiment, j’ai l’habitude.

« Perrier menthe », il me corrige d’un air hautain en regardant avec encore plus de concentration ce qui se passe dans la rue à gauche.

« Ok, si vous préférez, un perrier menthe », j’accepte pacifiquement en tentant un sourire, même s’il ne peut pas le voir puisqu’il y a des choses à côté dans la rue qui absorbent toute son attention. Peu importe, je ne vais pas me battre pour l’ordre des paroles dans une langue qui n’est pas la mienne.

« C’est pas pareil «, il rétorque avec sévérité.

Peut-être qu’il a raison. Peut-être c’est pour des raisons grastronomiques. Par exemple, c’est possible que la menthe et le perrier ça se mélange moins bien quand on met d’abord la menthe au lieu du perrier. J’ai jamais essayé.

Ça n’empeche que je reste sous l’impression que non seulement je n’arrive pas à prononcer les diphtongues, mais qu' en plus il y a un sens plus profond dans cette langue qui m’échappe complètement.

L’ interpretation, complémentaire ou substitutive - je ne suis pas sûre - c’est que le serveur c’est un malpoli avec des manières canailles et que cet échange faisait partie de cette guerre quotidienne que les citoyens parisiens et leurs visiteurs mènent avec une bonne partie de leurs serveurs, leurs vendeurs et d’autres gens qui travaillent dans les services : Eux, ils essaient de nous faire pleurer et nous, on essaie de ne pas nous rendre. Dans ce cas-là, j’ai bien fait de répondre avec un sourire rayonnant, même s’il n’a pas pu l’apprécier par force de regarder de l’autre côté.

Oui, c’est une bonne intrépation ça. Elle me plaît. Qui s’intéresse au diphtongues et à l’ordre des paroles gastronomiques en français? Je me sens forte maintenant. Et ce n'est pas tout à fait sans fierté que je déclare:

Citoyens parisiens et visiteurs 1, serveurs, vendeurs et d’autres services 0.

Samstag, 8. September 2007

La ville et la déprivation

Chac matin quand j'arrive en métro, il y a une mendiante à la sortie qui salue les passants avec gentillesse et gaieté. Elle est touchante. Dans sa situation elle est capable de creer une atmosphère de joie pour des gens qui arrivent de leur maison avec leur famille dedans pour aller à leur travail, chacun d'une très mauvaise humeur.

L'autre jour je voulais lui racheter un journal de sans-abris. Je croyais que c'était ça qu'elle faisait, vendre des journeaux de sans-abris. En réalité, elle mendie, c'est tout. En revanche, elle a pris l'occasion pour me demander un bisou en expliquant que c' était son anniversaire. Après tout, pourquoi pas? Pourquoi pas demander ce dont on a besoin quand on est déjà réduit à demander des choses aux inconnus? Je n'ai pas vraiment hésité.

Mittwoch, 5. September 2007

Sage mir, wie du bloggst...

Eigentlich bediene ich mich dieser neumodischen Technologie nur, weil
  1. ich aus meinem Fehler lernen wollte, meine alten Geschichten in diesen schnellebigen Zeiten in den Klauen eines einzigen Rechner gelassen zu haben, dessen Betriebssystem inzwischen so veraltet ist, dass niemand mehr weiss, wie man ihm dieses wertvolle Werk entreissen kann und
  2. ich es meinen Freunden nicht mehr zumuten wollte, dass ich mit meinen Geschichten dauerhaft Reizüberflutung in ihren Posteingängen betrieben habe.
Also, dachte ich mir, bewahre ich die Geschichten am besten im Internet auf. Zum einen gehen sie dort nicht verloren. Zum anderen müssen sich nur die damit beschäftigen, die wirklich danach gesucht haben. Ich würde sagen, einer ganz seltenen Fälle, in denen man mal eine perfekte Welt vorfindet.
Aber wenn ich nun schonmal wie die Jungfrau zum Kinde zu einem Blog gekommen bin, will natürlich alles richtig machen. Also habe ich mich erstmal erkundigt, wie man das überhaupt macht.
Erstmal musste ich mit Entsetzen festgestellen, dass ich nicht einfach so mit meinem eigenen Namen auftreten kann. Ich brauche ein Pseudonym!
Die richtige Vorgehensweise dafür im Web 2.0 wäre wahrscheinlich, einen Ideenwettbewerb auf meinem Blog auszuschreiben. Aber dafür bräuchte ich natürlich ein paar geneigte Leser, die mir Kommentare schreiben. Das ist also keine echte Option.
Also habe ich eine längst vergessene Methode der Ideenfindung aus einer uralten, analogen Welt gewählt und den Schatz angerufen. Er schlägt "Lingoluder" vor, weil ich in meinem Blog mit drei Weltsprachen antrete, erstens um es jedem recht zu machen und zweitens um mir gleich von vorneherein ein globales Publikum zu sichern.
Gefällt mir gar nicht so schlecht.Frech, zweideutig und selbstironisch. Aber wahrscheinlich ein bisschen zu abgehoben, als dass diese Qualitäten meiner globale Leserschaft auch tatsächlich auffallen würden. Bei meinen Bloggerrecherchen habe ich außerdem festgestellt, dass eine ganze Reihe von Kolleginnen Erlebnisberichte aus der Halbwelt bloggt. Nachher werde ich mit so einem Namen noch verwechselt und auf den Blogsuchseiten unter der Rubrik "Adult" eingeordnet. Am Ende bekommen ich dann nur noch notgeile Kommentare von irgendwelchen armen Teufeln, denen die Pornorufnummern zu teuer sind, und ich muss meinen Blog verlassen und im Internet abtauchen.
Miss Südafrikablog hat mir einen Haufen Tipps gegeben, wie ich mich im Web bekannt machen und die Ergebnisse meines Wirkens überprüfen kann (man muss sich übrigens auch gegenseitig verlinken, die Lektion habe ich gleich angewendet). Aber der Besucherzähler war mir nun wirklich zu viel Druck für den Anfang. Besser sind dann schon die Blogsuchseiten oder Selbsthilfegruppen, auf denen man sich selbst einer Rubrik zuordnen kann.
Am allerbesten finde ich aber die Seiten, die man anpingen kann, um dem Rest des Internets zu sagen, dass man wieder kreativ war. Aber solche Seiten sind von Anglos beherrscht, und die leben nun einmal in ihrer eigenen, bestens durchorganisierten Welt und brauchen niemand anderen. Guckt sie euch nur in an in Paris, Amsterdam und in Berlin mit ihrem eigenen Wohnungsmarkt, eigenem Speed-Dating für einsame Herzen, die sich der Landessprache verweigern, eigenen Bars und eigenen Veranstaltungzeitschriften, in der man vom englischsprachigen Klempner bis zum Busenfreund alles finden kann, was man braucht.
Ich habe mal geguckt, ob es so etwas auch für deutsche Blogger gibt. Aber wenn man "deutsche Blogger" googelt, bestehen die ersten 10 hits aus einer selbstzerfleischenden Diskussion darüber, warum die deutsche Bloggerszene so häßlich und klein ist verglichen mit der überlegener Völker jenseits des Rheins und des Atlantiks. Na los, Leute, die Dänen und die Finnen haben doch sicher auch eine bessere Blogosphäre als wir. Bestimmt gibt bald irgendein deutsches Forschungsinstitut einen neuen Indikator heraus, aus dem sich ergibt, dass wir mit unserer Internetkompetenz das Schlusslicht der industrialisierten Welt bilden und auch die Inder und Chinesen uns längst überholt haben.
Ich verabscheue ja eigentlich Deutsche, die "typisch deutsch" sagen und das als wüste Beschimpfung verstanden wissen wollen. Aber es rutscht einem fast aus der Tastatur.
Das erinnert mich auch ein bisschen an den Sieg gegen die USA, nach dem zugegebenermaßen etwas hoch verlorenen Freundschaftsspiel gegen Italien im vergangenen Jahr. Ich habe nur die letzten fünf Minuten gesehen, aber da hat es der Kommentator doch tatsächlich fertig gebracht, darüber zu sinnieren, ob 4:1 nicht zu hoch ist, als das man das Ergebnis ernst nehmen und sich wirklich darüber freuen könnte.
Bei aller Reiselust liebe ich die Heimat und habe nie Kosten und Mühen gescheut, um mir dort immer wieder ein schönes Plätzchen zu sichern. Aber wenn ich mir die Szene noch einmal so vor Augen führe, kann ich den Klinsmann fast ein bisschen verstehen, dass er sich lieber an die kalifornische Sonnenküste abgeseilt hat.

Montag, 3. September 2007

Meeresfrüchteselbstversuch

Wir haben uns am Nordbahnhof unmöglich gemacht. Für fünf Jahre. Mindestens.

Wir haben Entschuldigungen, jede Menge. Na klar. Aber das gilt bei den Franzosen nicht. Die sind für ihren Humor überall bekannt. Nur wenn's ums Essen geht, da hört der Spaß auf.

Das Wochenende war weitgehend ins Wasser gefallen wegen eines hochkomplizierten Nahverkehrsvertrags und kryptischer Vorarbeit eines angeblich genialen Kollegen. Mit den Details wollen wir niemanden langweilen. Jedenfalls ist uns so viel durch die Lappen gegangen, dass wir in Panik meinten, kurz vor der Abfahrt des Nachtzugs nach Berlin noch einmal voll durchstarten und alles nachholen zu müssen.

Aber ausgerechnet im Terminus du Nord bei Meeresfrüchten mit einem Zeitbudget von 55 Minuten, obwohl ich doch aus Erfahrung weiß, dass selbst versierte Meeresfrüchtesser dort ins Schleudern kommen, wenn sie den ganzen Abend Zeit haben? Ich kann mich noch gut an den hilflosen Blick erinnern, den ich mich dem Franzosen neben mir zuzuwerfen genötigt sah, als ich keine Ahnung hatte, wie ich an das Fleisch der winzig kleinen Schnecken gelangen sollte, die man mir serviert hatte. Er überblickte die Lage sofort, nahm ohne weitere Umschweife wie selbstverständlich eine Schnecke der gleichen Größe von seinem Teller und machte mir mit der dafür vorhergesehenen Nadel vor, die meiner Aufmerksamkeit natürlich ansonsten völlig entgangen wäre, wie ich eine Blamage vermeiden konnte. Das sind eben Profis in diesen vornehmen Meeresfrüchterestaurants. Nicht so wie der Durchschnittsfranzose, der gellende Entsetzensschreie ausstößt, wenn ein Tölpel aus Nordeuropa das Baguette aufschneidet und den Käse hineinschmiert, anstatt ihn locker obenauf zu legen. Oder anstatt ihn in der linken Hand zu halten und das Brot in der rechten, um abwechselnd abzubeißen. Ich habe schon wieder vergessen, wie es richtig war.

Immerhin konnte ich den Liebling noch rechtzeitig vor dem Kardinalfehler warnen, die Austern in das Fingerbad zu tunken. Den hat seinerzeit eine liebe Freundin begangen. Ich mache ihr keine Vorwürfe. Das Fingerbad sieht der Essig-Zwiebel-Soße, die wirklich für die Austern ist, verteufelt ähnlich und wird auch noch in der gleichen Schale serviert. Da kann man schonmal durcheinander kommen.

Aber da helfen numal die besten Vorkenntnisse nichts, wenn man innerhalb einer halben Stunde versucht, die Terminus-du-Nord-Platte zu essen, und man bislang Nußknacker immer nur zum Nüsse knacken benutzt hat. Der Hummer war sehr gut und saftig. Deswegen landete auch die Hälfte des Safts auf Lieblings Hemd. Wie die Remouladensoße dorthin kam? Ich weiß es nicht. Meiner Meinung nach dürfte die mit Meeresfrüchten gar nichts zu tun haben. Von der Tischdecke wollen wir mal gar nicht reden, zumal ich mit dem grätigen Fisch in einer Bouillabaisse Marseillaise zu kämpfen hatte, deren Basis bekanntlich einen starken Rotstich hat.
Natürlich hatten wir es uns nicht nehmen lassen, eine Flasche Wein zu bestellen. Nur konnten wir wegen der knappen Zeit leider nicht darauf warten, daß die Sommelière auf unsere leeren Gläser aufmerksam wurde. Deswegen griffen wir in regelmäßigen Abständen tatkräftig selbst zum Kühlkübel, um uns nachzuschenken. Fleckig waren die Hosen schließlich schon, warum sollten sie nicht auch naß sein? Zwischendurch kam in regelmäßigen Abständen der Kellner vorbei und versuchte Liebling die Hummerbeine zu entreißen, indem er so tat, als würde er sie für Reste halten, mit panischem Blick auf den Amerikaner hinter uns, an dessen Stirn er in seinem geistigen Auge wahrscheinlich schon den Hummerunterschenkel landen sah. Ich kann es ihm nicht verdenken. Ich hatte ähnliche Visionen.

Als wir zehn Minuten vor Abfahrt in der gebotenen Eile die Rechnung beglichen und ich bei einem letzten Blick auf unseren verwüsteten Tisch mit dumpfer Stimme nur noch eine verzweifelte religiöse Formel über die Lippen brachte, zwinkerte mir der Kellner vertraulich zu.

Liebling rief später zerknirscht aus dem Nachtzug an, um mir zu gestehen, dass er lange an sich gehalten hatte, schließlich aber doch zu den sechs Nürnberger Rostbratwürstchen aus der Mikrowelle greifen mußte. Er hatte den ganzen Tag nichts gegessen, und da waren Schalentiere einfach nicht ausreichend, zumal die Mehrzahl der ganz kleinen der Eile halber in der Schale bleiben mußte und ein weiteres Viertel auf dem Hemd.

Hhmm, na ja, das war eben nur mal so, um in Windeseile kurz vor Abreise schnell das verlorene Wochenende herauszuholen. Wir üben das noch einmal ganz gesittet und in aller Ruhe ein zweites Mal. Irgendwo da unten in Montparnasse, wo uns niemand kennt.

Sonntag, 2. September 2007

Kafka, le purgatoire et l'enfer de la bureaucratie franco-allemande II

The beginning was very pleasant.

I guess that is how they try to lure you into their purgatory.

I called France Télécom and the man on the helpline asked me whether I was Madame B. who had left for S. When I confirmed, he was overwhelmed with enthusiasm: "Mme B., it's you! We have found you, after all those years!" I felt flattered. Be honest, would you ever expect such an ebullient reception at a formerly state-run company? At an Italian restaurant, privately owned and run by the kings of gastronomy, maybe. But at France Télécom?

He then told me about the Film he had produced about Moabit. He asked what I thought about the name ("Moabit" - I should think it would be a good description of his subject) and begged me to find an agent for him. It took me some time to convince him that I had called him so he could help me and not the other way around and that I was a dull number cruncher with no connections to the arts scene. Eventually he sold me a telephone line subscription and life was easy, life was good!

Then came Frau F. from the Administration.

Now, it is true that they pay you all sorts of generous allowances, when they send you abroad. Provided that you fill out application forms which resemble the collected volumes of "War and Peace" in size, that is. And of course you have to give them time to write long surveys, so they can establish the exact size of your allowances. The problem with work spells abroad, though, is that costs tend to peak at the beginning. So I asked Frau F. if she could not pay an advance like most organisations and private enterprises would do. No, she didn't have corresponding instructions. Instructions on advances existed only for employees moving to The Administration to start their job or moving between administrations within the country. Which doesn't mean you can apply the instructions analogously to analogous cases. Put differently, she crossed her arms in front of her, turned her head away in disgust and said listlessly: Whe don't know that, we don't have that, we don't want that.

One of the government's most important, self-declared goals is Bürokratieabbau, the reduction of bureaucratic hurdles. Somehow I felt they hadn't taken me on board.

I took a deep breath and submitted the collected volumes of forms.

As she did not transfer the money when it was due, I called to complain. She didn't answer the phone. I wrote an email to ask what happened and when I could expect my salary. In september, was the short answer. IN SEPTEMBER! I panicked and wrote that I was going to come back on the spot and ask for damages. She said, she was sorry she couldn't help me. As the payment hadn't been entered into the payments system earlier, nothing could be done. I calculated the full amount of what they owed me for her and asked her whether she expected me to go to the bank and borrow money to pay for the interest-free loan she expected me to give to the German goverment. I pointed out to her that a German bank, especially if state-owned, would very likely give me money to invest in securities backed by mortgages of Americans with neither income nor assets, but they wouldn't give me money to for an interest-free loan to the government. That was too crazy an investment. I explained that I was not a Russian coal miner in the 1990s and that I expected my salary on time and in full size. I copied all emails to her boss and asked her to explain how it was possible that she paid my salary with a delay of two months if she had received the collected volumes of forms weeks earlier.

She finally gave in and granted an advance on allowance A, "against her instruction". She even apologized "because for reasons that could not be reconstructed the payment had been entered into the payment system late". Note that there is no active in the language of German bureaucrats. Nobody ever does anything, things happen. Usually for reasons that cannot be reconstructed. Following the infuriated heartthrob's instructions I made a weak attempt to protest and ask for allowance B on time. Not to much avail.

Then came Gaz de France.

The landlady had called me in panic from France, because I had to ask for the gas to be switched on in person and it took 5 working days, before they would give you an appointment. She didn't want me to have cold showers. That was sweet. She gave me a number that was supposed to work from abroad. It didn't. I said to myself that she who could swim in the Baltic Sea could take cold showers for a week in Paris in July and called after I had arrived. They gave me an appointment for a week later. Each morning under the shower I felt brave, but full of hope. The day before the appointment I called to check whether the appointment was still on. I don't know why. This is a tool that Americans use before a date or when they are supposed to meet their best friend. I think it is because they want to show that they have very busy jobs and many other friends. I don't have a very busy job and when I am supposed to meet my friends, I am so much looking forward to it, I would never drean of cancelling it. The same goes for appointments with Gaz de France when the gas is turned off. Maybe I just wanted to make sure that my hopes where justified.

As it turned out, they weren't. The helpline-lady claimed that there was no appointment in their system and since it wasn't in the system, she was sorry, there was nothing she could do for me. I just had to wait. Note the analogy to German payment systems. My morale began to sink. I couldn't manage any more songs under the cold shower in the morning.

My girl-friends gave me all sorts of useful tips. I should make sure that I was the one who was going to prevail. Their only longing was to make me cry. I should call them every day to ask whether an appointment had been cancelled and I could snatch it. I should tell them I was seven months pregnant and risked premature birth under the cold shower.

When, heartened by this encouragement, I called again they immediately transferred me to a man who answered: "No, Madame, pas du tout", to any question. Could he give me an earlier appointment? "Non, Madame, pas du tout." Was this how they treated their clients? "Non, Madame, pas du tout." So I was going to go without cooking and warm showers for another week? " Non, Madame pas du tout." But I was going to go without cooking and warm showers for another week if he didn't give me an earlier appointment! He didn't answer. At least that convinced me he wasn't a tape. I am almost certain, though, that he was sitting in Bangalore and that "non, Madame, pas du tout" was his only sentence in French. They had taught him to pronounce it with an impeccable accent, so he could work as a specialist for difficult French clients. The ones who immediately begin to yell at them when things go wrong. I wished I was one of them. I hung up and wearily accepted my fate.

I don't know why I thought I still wasn't through with helplines and complaints. Yet, unbelievable but true, I did try again when failing to install my ADSL-Box. Maybe I was hoping to talk to the producer-helpline-man again who was so happy to have me back in France. I couldn't count on so much luck. The unnerved helpline-man who confessedno artistic ambitions drew deep, exhausted sighs instead when it became tricky to implement his French instructions on my German computer . I advised him that he would need to work on his patience given that it was his job to help people. He pointed out that it was a Friday evening, ten o'clock. When he finally concluded we had to give up because we were turning in circles, I couldn't help but advise him to ask for different working times. He said, he didn't really have a choice.

Then came the temporary employer where I asked for a pin number to be able to make my private calls. They couldn't do that for me, it only existed for regular employees, as the phone bill was directly withdrawn from their salaries. I asked the lady on the hone whether there wasn't a solution, if we shouldn't pave new ways together for all the people in my situation. She said no, we shouldn't pave new ways together, because then she had to offer this to all people in my situation and that would cost her three working days a month. The heatthrob translated her for me: "Make your stupid phone calls from the office and shut up as everybody does."

Maybe it is not the French-German bureaucracy after all that is hell by itself. It is I who turn it into hell with my approach to it.

People always create their own hell.

As you can seen, it is not only gardening that is like philosophie. Fighting for gas, telephone lines and salaries can be too.

Samstag, 1. September 2007

la marihuana mâle et la destruction du féminin

BB étais en train de jardiner sur son balcon-rêve. Il fallait enlever les feuilles jaunes et les grandes - parce qu' elles réduisent l' énergie - à une colonie d'une vingtaine de plantes toutes pareilles. J'ai aidé un peu. Quelques minutes on jardinait ensemble, unis dans un silence presque thérapeutique. Au bout d'un moment, j'ai demandé ce que c'était comme plante, à laquelle j'aidais à avoir l'air belle et jeune et à ne pas perdre trop d'énergie. "De la marihuana", il a expliqué, "ce sont presque tous des femelles et, en fait, elles sont mieux". Pour fumer je suppose. Il m'a fait voir comment elles étaient faites, les femelles, et après il a expliqué que, comme c'étaient des plantes un peu hermaphrodites, il se passaient des choses très bizarres avec elles. Par exemple, quand il y a un mâle à côté, d'abord ça les stimule. Mais après il fait en sorte qu'elles sont transformées en mâle elles aussi et cela les abîme. Je trouve ca très convaincant. C'est un peu comme dans la vraie vie. Sauf qu'ils ne nous transforment pas en mâle d'abord, ça serait bien, on gagnerait 20% en plus et on aurait des queues moins longues devant les toilettes. BB dit que justement que c'est pour ça qu'il aime le jardinage. C'est un peu comme de la philosophie. Mais Le Chérie dit que ce sont des histoires et que toutes les plantes sont des hermaphrodites.

Je crois, je préfère la version de BB.

Indien und Verkehr

Eigentlich wollten M. und ich nur gemütlich zum Internetcafé laufen.War ja auch ganz in der Nähe. So sah es jedenfalls auf unserer Karte im Reiseführer aus. Aber der ist eben mathematisch ganz exakt, berücksichtigt jedoch den Stressfaktor nicht.

Natürlich gibt es in Indien keine Bürgersteige. Fußgänger reihen sich einfach nahtlos in den fröhlichen Aufgalopp von Rikshas, Autos, Fahrrädern und natürlichden Kings of the Road - den Kühen - ein. Nun hatte der Schatz mir vor der Reise zwar noch ein Feuerzeug aufgedrängt (falls wir mal in der Wüste von Radjahstan verloren gehen und uns hungert und friert, dann können wir einenTiger jagen, oder so), aber wir hatten keine Hupe! Es fährt sich in Indien des nachts wunderbar ohne Licht, aber ohne Hupe ist man einfach kein Mensch und eine adäquate Teilnahme am Straßenverkehr ist ausgeschlossen.

M. war empört über die Fahrradrikshafahrer, die uns vom ersten bis zum letzten Schritt belagerten und in rasender Geschwindigkeit ihre Preise senkten, um uns in ihr abenteuerliches Gefährt zu locken. Aber ich kannte die Burschen schon aus Vietnam, und blieb ganz professionell und gelassen. Außerdem war ich ganz froh, dass sie uns seitlich abschirmten. Die Inder mögen sich mitten auf der Straße ohne Licht ja ganz wohl fühlen. Aber wie alle wissen, bin ich kein Inder. Auch kam mir der Junge sehr gelegen, der uns zunächst in die Fahrradriksha seines Kumpels locken wollte, sich aber dann dazu entschloss, mich nicht nur sprichwörtlich an die Hand zu nehmen und mir über die Straße zu helfen, als sich für ihn herausstellte, daß bezüglich Fahrradriksha bei mir nichts zu holen war, und für mich, dass ich einer zehnspurigen Straße aus Rikshen mit verschiedenen Untersätzen ,Eseln, Fahrrädern, rasenden Autos und Mopeds einfach nicht gewachsen bin.

Als wir völlig erledigt vor dem Internetcafe noch einen Abstecher ins Restaurant machten, waren wir heilfroh, dass man uns gleich bereitwillig Bier servierte. M. meint nämlich schon, wir könnten zu Hause einfach antworten "Entziehungskur", wenn man uns fragt, was wir in Indien gemacht haben.

Zu Indien und Verkehr fällt mir noch eine ganze Menge ein. Um nicht zusagen, ich könnte Bände damit füllen. Zum Beispiel die indischen Omas, die im Sari bei ihren Enkelsöhnen auf dem Gepäcktraeger Moped fahren, oder das Taxi, mit dem wir heute in die versunkene Mongulenstadt Fatepur Sikri fahren sollten. Ich bin mir sicher, für jeden Automechaniker wäre der Anblick ein Hochgenuss gewesen. Alle Leitungen und Kabel konnte man ungestört von lästigen Armaturenbrettern studieren. Warum M. schreiend ausstieg, irgendetwas von Kuba faselte und nach einem neueren Baujahr verlangte,verstehe ich immer noch nicht. Na ja, immerhin sind wir hinterher ganz komfortabel in die versunkene Mongulenstadt gekommen, auch wenn die Inder den Linksverkehr von ihren Kolonialherren nur näherungsweise übernommen haben. Links ist ja auch nicht immer ein Plätzchen frei.

Daß wir in Fatepur Sikri dem blödesten Touristennepp von allen aufgesessen sind, wird uns bis ans Ende unserer Tage quälen! Geschäftstüchtig, wie wir nunmal sind, hatten wir den Touristenführer auf 100 Rupien heruntergehandelt. Er zeigte uns dafür die Paläste der hindischen, der muslimischen und der christlichen Frauen von Akbar, der ein weiser Mann war und allen Religionen gerecht werden wollte. Nur die Moschee konnte uns der Führer aus irgendwelchen Gründen nicht zeigen, deswegen musste diese Aufgabe sein Onkel übernehmen. Aber was soll's, war ja alles im Preis inbegriffen.

Nun steht aber vor der Moschee ein Hinduheiligtum.Wenn man dort alles richtig macht, das heißt indisches Tuch kauft, Blütenblätter und ein paar Bänder, dann kann man sich bis zu drei Dinge wünschen, die alle in Erfüllung gehen. M. und ich sind beide bescheiden und wollten uns nur je zwei Dinge wünschen. Nur die Inder sind nicht bescheiden. Sie wollten 500 Rupien für ihre Wünschutensilien bekommen. Der Erlös sollte selbstverständlich ausschliesslich den Armen zugute kommen. M. und ich waren zu benebelt von der Aussicht auf Erfüllung unserer Wünsche, als dass wir Verdacht hätten schöpfen können. Als wir im Heiligtum wieder zu uns kamen, war es zu spät. Ausserdem hatte ich in der Aufregung ein Bändel verloren. Weil meine beiden Wünsche untrennbar miteinander verbunden waren, ist jetzt mein ganzes Leben verpfuscht, falls der Betrug doch kein Betrug war. Immerhin hat M. konsequent die lautstarke Forderung des Priesters überhört, beim Verlassen des Heiligtum den Armen etwas zu spenden. Dabei wäre das vermutlich wirklich den Armen zugute gekommen.

Aber natürlich machte ich den meisten Ärger. M. meint, das hängt mit einem Kapitel über Verkehr vor Indien zusammen. Ich glaube, ich hatte einfach nur Pech. Jedenfalls bin ich mit einer dicken Blasenentzündung in Delhi aufgelaufen, die sich in Agra als handfestes Reisehindernis zu entpuppen begann. Nachdem wir uns die rote Festung von Agra angesehen hatten, musste ich beim Mittagessen in dem auf -10 Grad Celsius heruntergekühlten südindischen Spezialitätenrestaurant etwa zehnmal die appetitliche Toilette aufsuchen und sah mich zur Empörung unseres autoritären Taxifahrers ausserstande, ohne Pause zuerst den Baby-Taj und dann den echten Taj Mahal zu bestaunen. Als ich es entgegen unseren Befürchtungen nach einer mühsam erstrittenen Pause und einer wenig damenhaften Rempelei in der kilometerlangen Schlange an der Sicherheitskontrolle doch noch rechtzeitig auf die Taj-Toilette geschafft hatte und dann auf die Empore, von der aus man den Palast und sein Spiegelbild im davorliegenden Gewässer bewundern kann, brach ich in Tränen aus. Ich erkläre das mit Überwältigung von der Schönheit des Bauwerks, hatte ich doch immer gedacht, man könne davon gar nicht mehr beeindruckt sein, wenn man doch alles schon auf Fotos und in Filmen gesehen hat. Aber was man sieht, wenn man im Abendsonnenschein davor steht, das Licht, die Blumen, die arabische Schrift, das strahlende Weiss - das ist bringt den abgebrühtesten Straßengangster zum Weinen.

M. meint hingegen, ich hätte geheult, weil mir das Schicksal in dem Moment nicht nur den Taj, sondern mindestens ebenso plastisch die Aussicht auf einen Indienurlaub auf der Toilette vor Augen führte.

Nun zum Schluß gelang es mir doch, die Bakterien durch den Konsum von etwa zehn Litern Wasser auszuschwemmen. Dennoch liess ich mich nicht davon abhalten, sicherheitshalber mit Frau K. von der deutschen Botschaft in Delhi per Mobiltelefon zu konferieren. Die wiederum empfahl mir Cenofloxilin, ohne es mir aber zu empfehlen, denn das darf sie bei einem Antibiotikum nicht. Dann schärfte sie mir ein, eine Apotheke mit regem Kundenverkehr zu wählen und mir vorher die Packung zeigen zu lassen.

Leider ist man in Indien seinem Rikshafahrer hilflos ausgeliefert und dessen Kumpel hat nun einmal eine Apotheke, die eher einem Kiosk gleicht, dafür aber anders als die Trinkhallen in Berlin gar keinen Kundenverkehr hat. Zum Ausgleich hat er auch keine Packungen, aber das Medikament wurde von dem besten multinationalen Unternehmen in Indien hergestellt, wie er mir treuherzig versicherte.

Die arme M. musste nun leider am nächsten Tag mit mir im Zug nach Jaipur fahren, denn der hat im Unterschied zu dem konfortablen Bus mit Klimaanlage eine Toilette. Sicher ist sicher! Das hat den Vorteil, das wir uns am Bahnhof in einer Reihe mit den VIPs und den Freiheitskämpfern anstellen durften, die in Indien in die gleiche Kategorie fallen wie die ausländischen Touristen. Der Nachteil ist, dass wir keinesfalls auf einer gemütlichen Bank sitzen dürfen wie auf dem Hinweg nach Agra, sondern uns sechs Stunden lang auf drei übereinanderhängende Pritschen betten müssen. Jedenfalls behauptete das unser freundlicher Rezeptionist, nachdem er zuerst sein Mittagessen mit uns geteilt und dann unsere Fahrkarte studiert hatte. Ich sehe der Reise trotzdem gelassen entgegen. Immerhin können wir dann endlich mal schlafen.