Sonntag, 7. Oktober 2007

Velib

Die Stadt Paris setzt dieses Jahr all ihre Hoffnung in die Fahrradfahrer: Sie sollen die Autos von den Straßen verdrängen, die Lärmbelästigung verringern, die Luftqualität verbessern und aus den Parisern freundliche und rücksichtsvolle Bürger machen. Wahrscheinlich erhofft sich die Stadtverwaltung davon, dass Paris auf der Liste der lebenswertesten Städte der Erde von Platz vier noch weiter hochschnellt.

Damit die Radfahrern diesen Hoffnung gerecht werden können, hat sich die Stadtverwaltung mit der Privatwirtschaft zusammengetan und den Hit des Sommers kreiert: Vélib. Wer eine Jahresmetrofahrkarte hat oder genug Ausdauer, um an einem Fahrradkartenautomaten fünf Minuten lang verschiedene Nummern einzugeben, nur um dann festzustellen, dass der Automat kaputt ist oder alle funktionsfähigen Fahrräder unterwegs, der kann sich überall in der Stadt an irgendeiner Station ein Rad ausleihen und es später an einer beliebigen anderen Station wieder abgeben. Und wenn man nicht länger als eine halbe Stunden fährt, braucht man keinen Pfennig dazu zu zahlen. Es sei denn, man vesteht wie mein Freund Dave nicht, wie man das Fahrrad richtig in der Station wieder einklinkt. Solche Leute zahlen im Extremfall 150 Euro.

Stationen gibt es im Prinzip alle fünfhundert Meter. Allerdings sind die auf Hügeln meistens leer und die in den ebenen Straßen davor sind überfüllt. Die Stadtverwaltung hat nicht mit dem Sportsgeist der Pariser gerechnet. Angeblich hat sie vierhundert Leuten einstellen müssen, die die Fahrräder immer wieder gleichmäßig auf die Stationen verteilen.

Das Vélib ist wie gesagt der Sommerhit schlechthin, bis tief in den Herbst hinein, und jeder muss mitmachen. Natürlich sind wir auch mit von der Partie. Nachdem wir ein paar Sonntage damit verbracht haben, Nummern einzugeben und von Station zu Station zu laufen, um jedes Mal wieder mit neuen Problemen zu kämpfen, sind wir inzwischen schon ganz fixe Vélibentleiher geworden.

Nur an den Pariser Verkehr können wir uns nicht gewöhnen. Es gibt Leute, die behaupten, die vielen Radfahrer hätten das Bewusstsein der Pariser Autofahrer geschärft und sie führen jetzt viel vorsichtiger. Das kann ich nicht bestätigen. Besonders Rechtsabbieger sind und bleiben skrupellose Killer. Neben ihnen stehende Fahrradfahrer, die geradeaus fahren möchten, fahren sie um, dazu kennen sie keine Alternative. Der Schatz verdankt sein Leben nur meinem lautstarken Kopiloteneinsatz, bei dem ich auch in Kauf nahm, dass ältere Passanten sich durch meine Rufe in die Besatzungszeit zurückversetzt fühlten. Gestählt von diesen Begegnungen pfiff ich den nächsten Rechtsabbieger, der mir zuvorkommen wollte, mit noch viel energischeren Flüchen im Besatzungsmachtstakkato zurück. Und um ihm zu zeigen, wie ein deutscher Verkehrsteilnehmer auf sein Recht beharrt, stürzte ich mich mit meinem Fahrrad auf den Zebrastreifen für Fußgänger. Damit gelang es mir, doch noch vor ihm die Straße zu überqueren und ihn zum Warten zu zwingen. Bevor ich mich triumphierend zu dem Fahrer umblickte, konnte ich noch kurz auf der anderen Kreuzungsseite beobachten, wie der Schatz nach wilden Beleidigungen auf Deutsch gen Rechtsabbieger mit Schaum vor dem Mund "ja, Du" brüllte und seine wüsten Beschimpfungen mit obzsönen Gesten untermalte.

Als ich sah, wie perplex und verletzt der Rechtsabbieger uns beide ansah, kam mir der Gedanke, dass französische Rechtsabbieger womöglich gar nicht wissen, dass sie geradeaus fahrende Fahrräder nicht umfahren dürfen. Vielleicht ist die französische Straßenverkehrsordnung einfach nicht mit unserer vergleichbar. Wer weiß? Irgend so ein Gesetzeslücke, die in Brüssel noch niemandem aufgefallen ist.

Vielleicht sollten wir uns doch lieber darauf beschränken, in Paris unterirdisch am Straßenverkehr teilzunehmen.

1 Kommentar:

Hollywoodgal hat gesagt…

Also, dank Euren Aktionen im Pariser Autoverkehr habe ich vor Lachen gebrüllt!
Keep them coming....