Samstag, 3. November 2007

Erste Schritte in NYC

Email vom 26. September 2000:

Nach 28 Jahren hat sich die Hartnäckigkeit einer Springer Standesbeamten ausgezahlt: Aus Sorge um mein Fortkommen und meine persönliche Entwicklung bestand sie neben N. auf einem echten Frauennamen. In einem Computer-Administrator jenseits des Atlantischen Ozeans hat sie jetzt einen einsamen Anhänger gefunden. Für den kam nur mein bislang nie gebrauchter Zweitname als email-Adresse in Frage.

Ich bin nicht nur endlich wieder im Netz, was immer das wichtigste ist, sondern darf mich vom 1. Oktober auch stolze Untermieterin eine 1 1/2- Zimmer-Wohnung nennen. Ich möchte die wunderbare Lage in Fußnähe zum Times Square unterstreichen - sicher bin ich bald ein Broadway-Star! Von innen ist sie allerdings nichts für schwache Nerven. An Fenstern und Licht wurde ein wenig gespart, dafür wird meine WG mit meinem Gerzenseekollegen dadurch umso offener und freundlicher, daß auch keine Türen vorhanden sind, wenn man von Eingangs- und Toilettentür einmal absieht. Curzio sagt, das ist nicht weiter schlimm. Ich soll ihm Bescheid sagen, wenn ich einen Mann nach Hause bringe, dann kommt er etwas später. Noch wohne ich bei meiner Freundin Jenny in Stamford, Connecticut. 50 Minuten Zugfahrt zur Grand Central Station - das ist ein Kinderspiel für jeden amerikanischen Pendler. Morgens komme ich mir immer mächtig wichtig vor, wenn ich mit meinem kleinen Labtop-Köfferchen den Zug besteige. Abends bringe mich meine Business-Kollegen aus dem Financial District im Zug jedoch mit hastigem Popcorn-Verzehr zur Weißglut.Mein verzweifelter Gesichtsausdruck während der dreitägigen Wohnungssuche hat immerhin dazu geführt, daß ich eine israelische Photographin aus Queens kennengelernt habe, die mich tatkräftig unterstützte. Weiß einer, wie man Israelinnen ins Kino oder in eine Bierkneipe ködert?

Meine Ruderfreundin Anke, die einen L.L.M-Grad an der NYU anstrebt, ist bereits perfekt integriert. Sie hat eine ziemlich nette dänische Mitbewohnerin, wohnt mitten in Greenwich Village und geht in Chinatown Gemüse einkaufen. Am Sonnabend hat sich mich auf eine Party in den Washington Heights mitgenommen. Ich fand, daß die nächtliche U-Bahn-Fahrt durch Harlem auch nichts für schwache Nerven war, aber meine Frauen blieben zu jedem Zeitpunkt locker und haben sich nichts anmerken lassen. Bloß als uns ein sehr freundlicher Senegalese, der des Deutschen immerhin soweit mächtig war, daß er "ich liebe dich" sagen konnte, auf dem Rückweg auf ein Bier nach Harlem einladen wollte, zeigten sie sich unwillig seine Kenntnisse angemessen zu würdigen. Entlohnt wurde der Abenteuertrip durch eine Party mit lauter Angestellten der Federal Reserve Bank of New York. Leider untere Chargen, sonst könnte ich daraus vielleicht Profit schlagen, wenn es mit der Broadway-Karriere doch nichts wird.

Mit Nd. bin ich bereits in Medias Res gegangen. Gestern große Lagebesprechung "to gain some speed". Er ist Araber oder vielleicht ein sephardischer Jude (das kommt von Jenny - ich dachte immer, die kommen aus Portugal und Spanien), die Sekretärin ist Politik-Studentin und Armenierin aus der Türkei und die beiden Assistenten sind Koreaner. Vielleicht will ja einer von denen mit mir Tango tanzen? Auf dem Gang sind auch viele Lateinamerikaner unterwegs, aber zumindestens die Männer gucken mich streng an, wenn ich grüße. Ob sich das für Frauen nicht schickt?

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