Montag, 22. Dezember 2008

City of all cities

When I set my foot again into the city, she greeted me like she always had before: embracing me, grabbing me to take me out for a dance, pretending she could be mine for a moment or for a lifetime, whatever I chose it to be.

All the while I knew that she might spit me out at any moment. She would do the same to anybody no matter whether they had come for a moment in a pretentious quest for luck and glory, with the firm intention to stay and to find a better live through hard work and thrift and or whether they had called her home for generations. She would accept anyone, people of all colours, tongues and aspirations. Their desire to find their luck in her, through her, is all for what she asks. Her tolerance is matched only by her callousness towards all those who fail to keep up with her dizzying tempo and who, instead of luck and glory, can find only loneliness or a path strewn with unsurmountable hurdles. At times, she had given me energy with an intensity that I had never known before. At others she seemed to strip me of my last heartbeat.

As I was riding from her unadorned suburbs to her sprawling center she slowly lured me into her world. She gave me brief glimpses of the wealth of colours, origins and stories of her people, arranged almost like in a kaleidoscope, as she sent them on and off the train. On the other side of the aisle a Mexican father was sitting with a child on his knees and the same expression of stoicism I had seen many years before on the faces of bus passengers in his native land. Maybe his long voyage had failed to improve much on the hardship and humiliations of his life. Or maybe he simply could not be bothered to rid himself of an attitude that had carried him through them before.

A little later three girls, barely fourteen, in all shades of black and brown hopped on to the train to pose and perform dance steps to the music from their headphones. One of them was tall and beefy, dressed a bit like a punk queen with an impressive afro-hairstyle to round off her look. She was giving the impression that she might throw herself to the floor and start breakdancing at any minute. The second, with an air of maturity and a round and sensual figure, chewed her gum without saying a word, while she was being hugged in permanence by her anemic boyfriend from behind. The third was the beauty queen of the band, small, with silk-like long hair and full of self-confidence, dressed in a sexy attire and acting as if she expected to be discovered any minute as a popstar on the train to the city centre. As I observed them I wondered whether children their age would ever come back to wearing hairstyles with outlines that look as though they had been cut around a pot sitting on their head. Would striped pullovers come back one day along with corduroy trousers that are too short and do not match the colours?

As I was still contemplating my own childhood, next on stage was a man dressed in rags dragging a little waggon behind him that was filled with a pile of random basic commodities he eagerly tried to sell to the audience: trashy romance novels from the 1960s, plastic tea pots and other household appliances, toys for the sandbox and condoms. All the while he was playing music from a half-broken tape deck, shaking his greasy hair as best he could under his woollen hat and looking at us through his sunglasses. I marveled at the impassive subway passengers around me who barely seemed to notice this bizarre appearance. Suddenly a faint memory of Jenny sprang to my mind as she walked up to a doorman during an earlier visit to the city asking where she could catch a taxi to the Upper East Side . "Come on", the doorman hollered at us, " country girls like to walk!"

This it what makes me so uneasy in this city: it constantly seems to unmask me as a country girl.

By the time we reached our final destination for that day, Hervé's apartment in a quiet residential neighbourhood close to one of the city's universities, I felt as if I had never left town. As I walked through the streets amidst hurrying investment bankers in high heels - this time around probably worrying more about their jobs than about their next deal - Mexican streetsweepers, bartenders from the Midwest, artist-waiters from Argentina, Korean shopkeepers and doctors from Iran, I felt as though I was one of them. Submerged into this mass of people from everywhere I had suddenly become again a citizen of this city of all cities.

I remembered the Afghani doctor who had once told me at a christmas party in her Central Park West apartment with a view of the park and the skyscrapers: "The world meets in this city". Like nowhere else.

Samstag, 13. Dezember 2008

Der Pfandflaschenprofi vom Prenzlauer Berg

Ich laufe seit einer dreiviertel Stunde durch den Kiez von einem Tante-Emma-Laden zum nächsten, um endlich die Pfandflaschen loszuwerden, die die Maschine beim Flirt-Kaisers nicht annehmen will. Ein zäher Prozess. Der vietnamesische Kramladen nebenan gibt sofort zu, dass ich die Bionade-Flaschen bei ihm gekauft habe, bestreitet aber rundheraus jegliche Urheberschaft für das Flens. Genau genommen verhandele ich mit der Tochter des Hauses. Sie ist 14 und sehr bestimmt. Ich ärgere mich. Nach langem hin und her gelingt es mir, ihr noch zwei Hefeweizenflaschen aufzuschwatzen. Als ich ihr die Bio-Apfelsaftflasche unter die Nase halte, lacht sie trocken, ein bißchen verächtlich, wie mir scheint. Bei ihren Eltern gibt es Tütensuppen und Bier, keinen Bio-Apfelsaft.

Der Vietnamese an der Prenzlauer Allee nimmt anstandslos die Flens-Flaschen, eine andere Biersorte lehnt er jedoch ab. Ich habe aber noch eine und weiss der Teufel, wo der Schatz das gekauft hat. Oder irgendein Gast hat es zur Party mitgebracht. Jedenfalls laufe ich jetzt damit rum und werde es nicht los. Ich kaufe Rosinen und Mandeln für den orientalischen Karpfen. Der vietnamesiche Ladenbesitzer fragt mich enttäuscht, ob ich kein neues Bier brauche. Das fehlte noch! Sehe ich aus wie Sysiphos, oder was? Am Ende kaufe ich aus Mitleid einen billigen Rotwein zum Kochen. Erst als ich schon beim nächsten Tante-Emma-Laden angekommen bin, fällt mir ein, dass das Karpfen-in-Weinsauce Rezept das war, wogegen ich mich zugunsten der orientalischen Variante entschieden hatte.

Ich sage dem Schatz immerzu, er soll seine Pfandflascheneinkäufe nicht über den ganzen Berg verteilen, sondern wenigstens auf einen Laden konzentrieren. Glaubt der vielleicht, es macht mir Spaß, stundenlang mit klappernden Taschen durch das Viertel zu ziehen und in jedem Kramladen lange Verhandlungen zu führen? Mir reicht's! Der Schatz verbietet mir zwar strengstens, Pfandflaschen einfach in den Container zu schmeissen, aber bei meinen Stundenlohn lohnt es sich einfach nicht, länger als eine halbe Stunde hinter 30 Cents herzulaufen. Opportunitätskosten und so weiter. Das habe ich damals an der Uni gelernt. Und ja, das gilt auch, wenn ich den Umweltsau-Faktor mit einrechne. Ich habe schließlich am Sonnabend auch mal mein Recht darauf, mich zu amüsieren.

Ich schleiche mich vorsichtig an die Flaschencontainer vorm Flirt-Kaisers und blicke mich diskret nach allen Seiten um, ob auch keiner von den aufrechten Öko-Nachbarn guckt. Es guckt aber einer und zwar sehr penetrant. Allerdings sieht er nicht wie ein Nachbar aus mit seinem verschlissenen Anorak und dem wilden Vollbart. Er schleicht unruhig um die Container herum, fast so als seien sie seine Kinder und er müsse sie bewachen, aber ich bin jetzt so entnervt, dass ich mich entschließe, es notfalls auf eine offene Konfrontation ankommen zu lassen.

Ich ziehe selbstbewußt die Bio-Apfelsaftflasche aus meinem Jutebeutel und setze schwungvoll zum Wurf an. Leider ist die Flasche weiß und ich stehe vor dem grünen Container. Schon steht der Mann mit dem wilden Vollbart neben mir. Es hat nur noch gefehlt, dass er mir in den Arm fällt und laut nach der Polizei ruft.

"Die ist vom Bio-Laden da unten", klärt er mich auf, und weist mit der Hand straßabwärts. Er ist durchaus kooperativ, jedenfalls nicht feindselig.

"Aber das ist doch keine Pfandflasche, steht nirgendwo", wende ich müde zu meiner Verteidigung ein. Auf dem selbstgemalten Etikett steht tatsächlich nichts und einen Moment lang schöpfe ich Hoffnung. Aber der Mann kennt sich aus, im Unterschied zu mir. Im Kiez und mit Pfandflaschen sowieso. Er macht das offensichtlich hauptberuflich. Er fährt mit seinen schwarzen, schwieligen Händen über die Schrift, die aus der Flasche heraustritt dort, wo sie sich verjüngt. Irgendetwas mit "Mehrweg" steht da. Ich fühle mich geschlagen, überführt und schuldig.

"Wollen Sie die Flasche zurückbringen?" biete ich ihm an. Vielleicht kann man aus der peinlichen Situation noch ein Geschäft machen. Er nimmt mir die Flasche ab und betrachtet die nächste, die ich gerade aus dem Beutel gezogen habe.

"Die is von Stücker da oben", sagt er und nickt kundig. Als ich ihm die Flasche hinhalte, winkt er ab. "Dit is mir zu weit, da jeh ich heute nich' mehr hin!"

Er guckt interessiert in den Beutel, in dem sich noch die Kochweinflasche befindet, die ich überflüssigerweise gekauft habe. "Und die ist von...", setzt er an. Er scheint Gefallen daran zu finden, mir seine Fachkunde vorzuführen. Und ich finde allmählich Gefallen an dem Mann.

"Die ist voll", muss ich ihm dann aber doch sagen. "Die brauche ich noch."

"Ach", sagt er, blickt von der Flasche zu mir und strahlt mich mit seinen vergilbten Zähnen an. "Zum Trinken, wa?"

Wir verabschieden uns herzlich und ich ziehe meiner Wege. Ich frage mich, wo er den Charme hernimmt und den Stolz eines echten Fachmanns - bei dem Beruf. Der kann es sich nicht leisten, meine verquasten Opportunitätskostenrechnungen aufzustellen oder Rotwein nur zum Kochen zu kaufen, weil er seine Karpfenrezepte durcheinander gebracht hat. Ich ärgere mich, dass ich ihm nicht die Rotweinflasche gegeben habe, er hätte sie bestimmt gerne getrunken. Oder wenigstens ein bisschen Wegegeld dafür, dass er für mich zum Bio-Laden schnürt und damit meine Beziehung über ein weiteres Wochenende rettet.

Ich beschließe zufriedener zu sein. Mit meinem Stundenlohn, mit klappernden Einkaufstaschen am Sonnabendnachmittag und überhaupt...